Im Streit um die Tiroler Anti-Transitmaßnahmen auf der Brennerstrecke hat Italien die bereits angekündigte Klage gegen Österreich jetzt vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingebracht. Ein dementsprechender Beschluss wurde am Freitag vom Ministerrat in Rom gefasst, wie das italienische Verkehrsministerium bekannt gab. Mittlerweile gibt es auch Reaktionen aus der Bundes- und Landespolitik.
Italiens Verkehrsminister Matteo Salvini (Lega) sprach davon, nun mit der „österreichischen Arroganz Schluss machen“ zu wollen. Zudem meinte er, damit „die Rechtssicherheit für die europäischen Spediteure wiederherzustellen.“ Italien reichte die Klage laut Artikel 259 EG-Vertrag ein, was ein präzedenzloser Fall war.
Österreich kämpferisch, aber „gesprächsbereit“
„Arrogant ist, wer die Profite der Frächterlobby über die Bedürfnisse und Sorgen der Menschen in der betroffenen Region stellt“, spielte Verkehrsministerin Leonore Gewessler den Ball zurück an Salvini. Dieser zeige mit der Klage erneut, dass ihm „die Lebensbedingungen der Menschen vor Ort egal“ seien.
Wir werden die rechtskonformen Maßnahmen weiter verteidigen – auch vor dem EuGH.
Verkehrsministerin Leonore Gewessler
Bild: APA/GEORG HOCHMUTH
Die Tirolerinnen und Tiroler würden „unter untragbaren Zuständen“, wie „Stau, Lärm und schlechter Luft“ leiden. „Wir werden die rechtskonformen Maßnahmen weiter verteidigen – auch vor dem EuGH“. Österreich bleibe aber „gesprächsbereit“ und es gelte, am „Verhandlungstisch nach einer Lösung“ zu suchen.
Mattle: „Bestmöglich vorbereitet“
Die schwarz-rote Tiroler Landesregierung hatte indes „mit der Klage gerechnet“ und sei „bereits bestmöglich vorbereitet“, sagte Mattle in einer Stellungnahme gegenüber der APA. „Sobald uns der Schriftsatz vorliegt, werden wir gemeinsam mit der Bundesregierung und Europarechtsexperten die Verteidigungsstrategie erarbeiten.“
Der EuGH habe nun „offiziell die Wahl“, sich zwischen der „Gesundheit der Menschen“, dem „Schutz der Umwelt“ oder den „Interessen der Frächter-Lobby“ zu entscheiden. „Ich stehe jedenfalls an der Seite der Bevölkerung, denn Tirol kann und will nicht mehr Lkw aufnehmen“, hielt er fest.
Tiroler Notmaßnahmen in der Kritik
Die EU-Kommission hatte Mitte Mai im Transit-Streit den Weg für die Klage Italiens freigemacht. In einer Stellungnahme gab die Behörde der Kritik Italiens in markanten Bereichen recht, auf ein eigenes Vertragsverletzungsverfahren wurde aber verzichtet. Einige der Tiroler Maßnahmen würden den freien Warenverkehr einschränken.
Konkret nannte man hier in einer veröffentlichten Aussendung am Ende eines dreimonatigen Verfahrens das Nachtfahrverbot, Sektorales Fahrverbot für „bestimmte schienenaffine Güter“, das Winterfahrverbot an Samstagen und die Rationierung der Einfahrt von Schwerlastfahrzeugen auf die Autobahn, also die Lkw-Blockabfertigung bzw. Dosierung.
Argumente ohne Wirkung?
Einige Argumente Österreichs erkannte die Brüsseler Behörde zwar an, die Maßnahmen seien aber nicht kohärent und könnten daher nicht „durch die Erreichung der angestrebten Ziele (Umweltschutz, Straßenverkehrssicherheit, Verkehrsfluss oder Versorgungssicherheit) gerechtfertigt werden.“ Darüber hinaus dürften einige dieser Maßnahmen ausländische Unternehmen eher betreffen als österreichische, hieß es.
Was den Einwand Italiens gegen Österreich bezüglich einer angeblich mangelnden loyalen Zusammenarbeit anbelangte, stellte die Kommission hingegen fest, dass Italien keine ausreichenden Beweise zur Untermauerung dieses Vorwurfs vorgelegt hatte.
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