Familie mit 7 Kindern

Darf die Sozialhilfe 4600 Euro im Monat ausmachen?

Politik
02.08.2024 05:39

Soll eine neunköpfige Familie aus Syrien 4600 Euro im Monat an Sozialhilfe kassieren? Seit in Wien ein solcher Fall publik wurde, wird diese Frage heiß diskutiert und befeuert die Neiddebatte. AMS-Chef Johannes Kopf zeigt Wege auf – etwa mit Sachleistungen –, wie man die Sozialhilfe fairer gestalten könnte.  

Es klingt wie die Spitze des Eisbergs in der Flüchtlingsdiskussion. Als eine neunköpfige syrische Familie eine neue Wohnung mieten will und einen Einkommensnachweis erbringen muss, fällt der Vermieter fast aus allen Wolken, berichtete die Gratiszeitung „Heute“. 4600 Euro nur an Sozialhilfe bekommt die Flüchtlingsfamilie pro Monat von der Stadt Wien überwiesen.

Wie setzt sich die Summe zusammen?

  • Die beiden Erwachsenen – das Migrantenpaar hat sieben Kinder – bekommen monatlich 809,09 Euro.
  • Plus jeweils 51,01 Euro Zuschlag, da Minderjährige im Haushalt leben.
  • Dazu gibt es für sechs Kinder – eines ist nicht anspruchsberechtigt – je 312,08 Euro.
  • Dazu kommen 995,46 Euro Mietbeihilfe.

FPÖ-Wien: In Wien „fließt Milch und Honig“
Reflexartig setzte sich die FPÖ auf das Thema. Der Chef der Freiheitlichen in Wien, Dominik Nepp, bezeichnete Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) als „europäischen Asylanten-Lockvogel“, denn „nirgendwo auf der Welt fließen Milch und Honig für Menschen aus aller Herren Länder in einem solchen Ausmaß wie in Wien“.

Erzürnt: Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp (Bild: Zwefo)
Erzürnt: Wiens FPÖ-Chef Dominik Nepp

Ein Einkommen von mehr als 4000 Euro netto fällt in Österreich unter Besserverdiener. Eine Tatsache, die die Neiddiskussion anheizt. Für AMS-Chef Kopf ist die Debatte daher eine sehr ernste. Denn jedes Sozialsystem basiert auf Solidarität.

„Das ist der Unterschied zum Arbeitsmarkt. Bei keinem Job der Welt bekommt man mehr Gehalt, wenn man mehr Kinder hat. So entsteht bei kinderreichen Familien – egal ob Inländer oder Ausländer – ein höherer Sozialhilfebezug als ein Erwerbseinkommen erreicht werden kann. Wenn die Solidarität aber nicht mehr vorhanden ist, kann ein System kippen“, warnt Kopf. Er fordert die Politik auf, endlich an einigen Schrauben zu drehen, damit Wien nicht mehr der Überbelastung an Flüchtlingen ausgesetzt ist und Neiddebatten erst gar nicht entstehen.

AMS-Chef Johannes Kopf zeigt Auswege auf, wie man die Neiddebatte wegen hoher Sozialhilfe beenden könnte. (Bild: APA/EVA MANHART)
AMS-Chef Johannes Kopf zeigt Auswege auf, wie man die Neiddebatte wegen hoher Sozialhilfe beenden könnte.

Punkt eins: Sachleistungen statt Geld überweisen
Die optisch hohen Transfersummen vor allem bei kinderreichen Familien könnten durch Sachleistungen ersetzt werden, indem künftig der Zuschlag, der heute pro Kind gewährt wird, nicht mehr ausbezahlt wird, sondern im selben Umfang Mietkosten übernommen werden, die von der auszahlenden Stelle direkt an den Vermieter überwiesen werden. Auch Einkaufsgutscheine wären denkbar.

Zudem schlägt Kopf vor, dass die Summe, die einer Familie zusteht, an Mutter und Vater zu jeweils 50 Prozent ausgezahlt wird. „Das hat auch den Effekt, dass die Familie gleich lernt, dass es in Österreich eine Gleichstellung von Mann und Frau gibt“, so Kopf. 

Punkt zwei: Einheitliches Sozialsystem
Wien erstickt fast unter der Last des Flüchtlingszustroms. Der Grund liegt in den unterschiedlichen Sozialsystemen in Österreich, was zu einem Ungleichgewicht führt. „Das ist unsinnig“, so Kopf. In den Bundesländern fliegt der Asylwerber an dem Tag, wo er Asyl bekommt, aus der Unterkunft.

Er erhält dann in einem Bundesland 430 Euro pro Person und findet keine leistbare Unterkunft. „Also fahren sie nach Wien, finden ein Bett um 300 Euro in irgendeiner Wohnung, wo schon drei Leute liegen, und 1100 Euro Mindestsicherung. Deutlich mehr als etwa in Niederösterreich“, erklärt Kopf. Daher brauche es endlich ein einheitliches Sozialsystem und eine Residenzpflicht.

Knapp jeder vierte Arbeitslose in Wien ist ein Flüchtling
Wie groß die Last für Wien ist, spiegelt sich an den Arbeitslosenzahlen wider. „In Salzburg, in Tirol oder in Kärnten gibt es einige Hundert Flüchtlinge auf Arbeitssuche. 2000 gibt es in Oberösterreich und 30.000 in Wien. In Wien sind wir kurz davor, dass jeder vierte Arbeitslose ein Flüchtling ist. Nicht ein Migrant, nicht ein Ausländer – ein Flüchtling“, schlägt Kopf Alarm.

Punkt drei: Teilweise Anrechnung der Mindestsicherung
Damit es einen Anreiz gibt, am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, sollte die Mindestsicherung nicht komplett gestrichen werden, wenn ein Vater oder eine Mutter einen Job annimmt. Ein Teil sollte zumindest über einen gewissen Zeitraum weiter ausbezahlt werden. „Das nützt dem Staat, weil der Anreiz, Arbeiten zu gehen, größer wird“, so Kopf. 

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