Mehr als 230 Tote
Überlebende nach Disco-Inferno: “Es war der Horror”
Nach Angaben von Augenzeugen wurde das Feuer in der beliebten Diskothek "Kiss", die häufig für Studentenpartys genutzt wird, am Sonntag gegen 2.15 Uhr früh Ortszeit durch die Pyrotechnik-Show der Rockband Gurizada Fandangueira verursacht. Als die Band während ihres Auftritts eine Art Leuchtfackel entzündete, setzten offenbar die Funken das Dämmmaterial aus Isolierschaum an der Decke in Brand. Zu diesem Zeitpunkt hätten Hunderte Menschen in dem Klub gefeiert, der laut den Angaben Platz für bis zu 2.000 Gäste bot.
Durch das Feuer sei dann Panik ausgebrochen, sodass viele Besucher totgetrampelt worden seien, sagte der örtliche Feuerwehrchef Guido de Melo. Die meisten Todesopfer, laut Angaben des Zivilschutzes 120 junge Männer und 112 Frauen, seien jedoch erstickt. Unter den Toten befindet sich laut Behörden auch ein Mitglied der Band. 131 Menschen seien verletzt worden.
"Das Feuer breitete sich in Sekundenschnelle aus"
Die Band habe kurz nach 2 Uhr zu spielen begonnen. "Wir hatten etwa fünf Songs gespielt, als ich nach oben sah und bemerkte, dass die Decke brannte", schilderte der Gitarrist der Band, Rodrigo Martins, dem Radiosender Gaucha die dramatischen Momente. Laut dem Musiker habe ein Security-Mitarbeiter die Flammen sofort bemerkt und mit einem Feuerlöscher versucht, den Brand zu löschen - das Gerät habe aber fatalerweise nicht funktioniert.
Die Augenzeugin Michele Pereira beschrieb der Zeitung "Folha de Sao Paulo" den Ausbruch des Feuers so: "Die Band war in der Loge und fing an, Feuerwerk zu benutzen, doch plötzlich hörten die Musiker auf und zeigten, dass das Feuer das Dach erreicht hatte." Es sei nur ein kleiner Brand gewesen, der sich aber "in Sekundenschnelle" in der Disco ausgebreitet habe.
Erst nach etwa fünf Stunden war das Feuer gelöscht, dann konnten die Einsatzkräfte mit der Suche nach den Opfern beginnen. Dutzende Leichen wurden in ein Sportzentrum in Santa Maria gebracht, das als provisorische Leichenhalle dient, berichtete der brasilianische TV-Sender Globo. Die Verletzten wurden in umliegende Krankenhäuser gebracht. Die Mehrheit leide an Rauchvergiftung. Etwa ein Fünftel der Verletzten habe zudem bei dem Unglück Brandwunden erlitten, sagte Gesundheitsminister Alexandre Padilha. 30 Patienten seien an Atemgeräte angeschlossen.
"So eine Tragödie habe ich noch nicht gesehen"
Auf Bildern vom Brandort ist zu erkennen, dass die Feuerwehr für die Lösch- und Bergungsaktion ein großes Loch in die Wand des Gebäudes geschlagen hatte. "Ich bin 40 Jahre bei der Feuerwehr, aber eine Tragödie solchen Ausmaßes habe ich noch nicht gesehen", sagte Feuerwehrmann Moises da Silva Fuchs.
Augenzeugen berichteten, dass die Sicherheitsleute des Lokals am Anfang nur Besucher hätten herauslassen wollen, die auch ihre Rechnung bezahlt hätten. In Brasilien ist es üblich, dass man Eintritt, Getränke und Essen auf einem eigenen Zettel vermerken lässt und erst beim Verlassen der Diskothek bezahlt. Andere Zeugen machten zudem mangelhafte Sicherheitsvorkehrungen für die Katastrophe mitverantwortlich. "Es war der Horror. Die Notausgänge reichten nicht aus, es gab Panik. Ich habe einen sehr engen Freund verloren", erklärte eine junge Frau.
WC-Tür mit Ausgang verwechselt
Mehr als 50 Leichen wurden einem der behandelnden Ärzte zufolge auf der Toilette der Disco gefunden. Durch den dichten, giftigen Rauch dürften die Menschen die Orientierung verloren haben, sodass sie nicht in der Lage waren, ihren Weg zum Ausgang zu finden, sagte Paulo Afonso Beltrame vom Krankenhaus Caridade der Nachrichtenagentur AP. "Anscheinend haben sie die WC-Tür mit der Ausgangstür verwechselt." Laut Feuerwehr war zudem eine wichtige Tür zum Zeitpunkt der Katastrophe verschlossen.
Der Gouverneur des Bundesstaats Rio Grande do Sul, Tarso Genro, kündigte am Montag eine groß angelegte Untersuchung an, um zu klären, wer die Verantwortung für die vielen Toten trägt. Die Polizei verhaftete indessen zwei Musiker der Band Gurizada Fandangueira und einen der Klub-Besitzer, berichtete die Tageszeitung "Diario de Santa Maria" in ihrer Online-Ausgabe. Nach einer vierten Person werde noch gefahndet, schrieb die Zeitung.
Präsidentin Rousseff ruft Staatstrauer aus
Aufgrund des Dramas beendete Brasiliens Staatspräsidentin Dilma Rousseff (im Bild rechts mit Angehörigen von Opfern) vorzeitig ihre Teilname an einem EU-Lateinamerika-Karibik-Gipfel in Chile. Sie flog direkt nach Santa Maria, wo sie in einem Gymnasium mit Familien und Freunden der Opfer sprach. Es kam zu ergreifenden Szenen. Die Staatschefin versprach, alles nur Mögliche zu tun, um den Angehörigen und Opfern der Tragödie zu helfen.
"Ich möchte den Brasilianern und der Bevölkerung von Santa Maria sagen, dass wir in diesem traurigem Moment zusammenstehen", erklärte die sichtlich bewegte Staatschefin. Rousseff ordnete drei Tage Staatstrauer an. "Es ist für uns alle eine Tragödie", sagte sie. Eine für Montag in Brasilia geplante Feier anlässlich des Countdowns für die verbleibenden 500 Tage zum Anpfiff der Fußball-WM in Brasilien wurde abgesagt.
Santa Maria hat 262.000 Einwohner. Die Universitätsstadt liegt rund 300 Kilometer von Porto Alegre, der Hauptstadt von Rio Grande do Sul, entfernt. Die Diskothek "Kiss" war sowohl bei Einheimischen als auch bei ausländischen Touristen sehr beliebt.
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