Anstatt an einer Lösung für die Messenger-Überwachung zu arbeiten, streiten die Parteien um Nebensächlichkeiten. Vor allem die Grünen als Regierungspartei versuchen offensichtlich, die Angelegenheit bis zur Wahl auszusitzen. Die ÖVP tobt.
Die Grünen geben offen zu, dass sich eine Gesetzesänderung vor der Wahl nicht mehr ausgehen wird. Sie pochen auf eine sechswöchige Begutachtung und eine „breite Diskussion“, denn es ginge um Grund- und Freiheitsrechte. Dass sie die von den Verfassungsschützern seit Jahren geforderte Möglichkeit einer Überwachung von Nachrichtendiensten bis jetzt absichtlich blockiert haben, bestreiten die Grünen. Viele mehr sei das ÖVP-geführte Innenministerium auf ihre Bedenken nicht eingegangen, so Grünen-Generalsekretärin Olga Voglauer.
Grünen haben es nicht eilig mit neuem Gesetz
Eine Verkürzung der Begutachtungsdauer, um das Gesetz noch vor der Nationalratswahl zu beschließen, lehnen die Grünen ab. „Egal ob ein Wahltermin ansteht, sechs Wochen Begutachtungszeit ist einfach notwendig“, um die Vorschläge in einer breiten Diskussion mit Experten aus allen Bereichen wie Datenschutz, Verfassungsrecht und technischen Fragen zu evaluieren, „sodass es am Ende eine tragfähige Legistik gibt“, so Voglauer.
Die ÖVP reagiert verärgert auf die Weigerung aller anderen Parteien, mit ihren diesbezüglichen Plänen mitzugehen. Generalsekretär Christian Stocker spricht von einer „Einheitspartei der Gefährder“ aus Grünen, FPÖ und SPÖ. Anstatt den Verfassungsschutz mit den nötigten neuen Kompetenzen auszustatten, wollen Grüne und FPÖ die Arbeit der Direktion Staatsschutz Nachrichtendienste (DSN) im Vorfeld des vereitelten Anschlags auf die Taylor-Swift-Konzerte in Wien überprüfen.
ÖVP sieht ein Ablenkungsmanöver
Dieses Ansinnen lehnt die ÖVP ab. Er wolle die DSN im Wahlkampf nicht einem „parteipolitischen Gemetzel“ aussetzen, sagt Innenminister Gerhard Karner (ÖVP). Die Kontrollkommission wird auch nicht von sich aus tätig werden, sagte die Vorsitzende Ingeborg Zerbes. ÖVP-General Stocker sieht hier ein reines Ablenkungsmanöver. „Wenn man etwas erreichen will, findet man eine Lösung. Wenn man etwas verhindern will, findet man einen Grund“.
Statt Terroristen zu beobachten, beobachten wir jetzt die Nachrichtendienste.
Generalsekretär Christian Stocker
Bild: APA/HANS KLAUS TECHT
Ein Misstrauen gegenüber der DSN sei „vollkommen unangebracht“, dafür gebe es keine Grundlage. Außerdem habe der Sicherheitsdienst bereits alle Informationen gegeben und sämtliche Fragen beantwortet. Der ÖVP-Generalsekretär verwahrte sich dagegen, die Nachrichtendienste „in Zweifel“ zu ziehen: „Statt Terroristen zu beobachten, beobachten wir jetzt die Nachrichtendienste.“ Die zuständige Kontrollkommission würde ohnehin „weisungsfrei“ arbeiten und benötige „keine Zurufe“.
SPÖ und FPÖ gemeinsam gegen die ÖVP
SPÖ und FPÖ schossen sich ihrerseits auf die ÖVP ein. Der Nationale Sicherheitsrat, bei dem die Parteien gegenseitig ihre Anträge ablehnten, funktioniere nun mal nicht wie ein ÖVP-Parteitag, „bei dem die ÖVP ihre unausgegorenen Ideen widerspruchslos abnicken lässt“, meinte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim. Der ÖVP gehe es nicht um Sicherheit, sondern nur um Parteitaktik.
Blaue befürchten Massenüberwachung
Die FPÖ wiederum sah ein Ablenkungsmanöver der Volkspartei. Die ÖVP-Regierungsriege würde „ihr eigenes Versagen als Rampe missbrauchen, um gesetzliche Möglichkeiten zur Massenüberwachung und Instrumente zur Einschränkung unliebsamer Meinungen und Organisationen zu schaffen“, so FPÖ-Sicherheitssprecher Hannes Amesbauer. Die Menschen hätten „die Corona-Zeit nicht vergessen“. Die ÖVP habe „weniger echte Terrorbekämpfung ins Visier genommen als vielmehr die eigene Bevölkerung“. Die NEOS kritisierten, dass der Messenger-Entwurf der Regierung noch nicht einmal vorliege. Generalsekretär Douglas Hoyos äußerte zudem „große Bedenken“, ob die Regelung verfassungskonform sei.
Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte Dienstagabend mit seinem Forderungspaket als Folge des verhinderten Anschlags auf ein Taylor Swift-Konzert eine Absage im Nationalen Sicherheitsrat kassiert. Keine der anderen Fraktionen stimmte Forderungen wie jener nach einer Messenger-Überwachung, einer Verschärfung des Parteiengesetzes sowie des Vereinsrechts und einer Haftverlängerung für nicht-deradikalisierte Personen zu.
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