Kritik einer Mächtigen

„Unernst“: Bures rechnet mit Bablers Programm ab

Nationalratswahl
23.08.2024 21:59

Doris Bures, zweite Nationalratspräsidentin und mächtige Liesinger SPÖ-Politikerin, vernichtet in einem Schreiben an die Mitglieder des SPÖ-Präsidiums das dort eben vorgestellte Wahlprogramm von Andreas Babler. Sie fürchtet etwa den Verdacht der „Unernsthaftigkeit“.

Fünf Wochen vor der Wahl und drei Tage vor seinem ersten ORF-Sommergespräch kommt Andreas Babler massiv unter Druck. Nach dem Tauziehen um den Rücktritt des überführten Lügners Klaus Luger, der als Linzer Bürgermeister über die Bestellung eines Freundes zum Chef des Brucknerhauses stolperte, erreichte Babler am Freitagnachmittag die nächste Hiobsbotschaft. Oder besser: ein Brief, gerichtet an alle SPÖ-Präsidiumsmitglieder, verschickt von niemand geringerem als Doris Bures. Die zweite Nationalratspräsidentin gilt als mächtigste Frau in der SPÖ, sie ist eine enge Vertraute von Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und weiß, was ein derartiger Brandbrief auslösen kann.

Andreas Babler kämpft nicht nur auf der Straße um Stimmen – auch die eigene Partei scheint nicht zur Gänze überzeugt ... (Bild: Loy Robert)
Andreas Babler kämpft nicht nur auf der Straße um Stimmen – auch die eigene Partei scheint nicht zur Gänze überzeugt ...

Luger-Rücktritt brachte Fass zum Überlaufen
Es dürfte wohl Bablers Verhalten rund um den Rücktritt des Linzer Bürgermeisters gewesen sein, der Bures zum Handeln gebracht hatte. Luger erzählt der „Krone“, dass er entgegen der Behauptung von Andreas Babler, dass der Parteichef ihn anrufen habe, um ihn von seinem Ultimatum zu informieren, nie einen Anruf erhielt. Stattdessen habe ihn eine andere mächtige SPÖlerin am Handy kontaktiert. Es ist: die Zweite Nationalratspräsidentin Bures. Sie erzählt Luger, dass das Präsidium von Bablers Plan, ein Schiedsgericht einzusetzen, nicht informiert war.

Die Präsidiumssitzung am Donnerstag scheint dann bei Bures das Fass zum Überlaufen gebracht zu haben – und sie verfasste eben jenen Brief, gerichtet an alle SPÖ-Präsidiumsmitglieder.

Bures vernichtet in dem Schreiben das im Präsidium am Donnerstag vorgestellte Parteiprogramm von Andreas Babler mit subtilen, aber deutlichen Formulierungen. Sie beginnt harmlos. „Das vorliegende Programm stellt ein Kompendium vielfältigster, durchaus auch wohlklingender Forderungen dar, das meiner Auffassung nach aber zu wenig Fokus hinsichtlich realpolitischer Umsetzung vorweist. Damit wird, so fürchte ich, die Glaubwürdigkeit und der ernsthafte gestalterische Anspruch der Sozialdemokratie zu wenig untermauert.“

Und weiter: „Die Relationen der einzelnen Politikfelder zeigen zu wenig Schwerpunktsetzungen und Priorisierungen, verlieren sich aber dafür – in relativ unbedeutenden Bereichen – in liebevollen Details. So werden etwa Einsparungen in der öffentlichen Verwaltung durch Verkleinerung der Regierungskabinette und PR-Budgets in Aussicht gestellt und gleichzeitig die Planstellen der Finanzverwaltung um zehn Prozent erhöht.“ Ein weitere fast humorvolle inhaltliche Kritik:  „Beim Forschungsthema wird lapidar die erhöhte Finanzierung für Grundlagenforschung avisiert, während im Landwirtschaftsteil die Erhöhung des Anteils der Bio-Imker von derzeit drei auf zehn Prozent angekündigt wird.“

„Verdacht der Unernsthaftigkeit“
Massiver: „Die Schwerpunktsetzung auf zahllose Steuererhöhungen bei gleichzeitigen Forderungen nach zahlreichen kostenlosen staatlichen Leistungen könnte im Angesicht der von der ÖVP-Regierung verursachten schwierigen finanzpolitischen Lage der Republik den Verdacht der Unernsthaftigkeit entstehen lassen.“

Ihre Kritik in der Präsidiumssitzung am Donnerstag hätte sich aber vor allem auf den Prozess bezogen, wie dieses Wahlprogramm zustande gekommen sei: Es fehle nämlich „eine fundamentale demokratische Legitimation“. Bures: „Es ist leider nicht das erste Mal, dass bei öffentlich präsentierten Forderungen der SPÖ insinuiert wird, dass diese auf breiter demokratischer Basis beschlossen worden seien. Auf diese Fehlentwicklung wollte ich hinweisen, weil wir uns dadurch nach innen und außen schwächen und angreifbar machen.“

Das interne Match in der Hochphase des Wahlkampfs ist offiziell eröffnet.

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