So viele Austritte wie nie zuvor hat die Justizwache in Österreich zu verzeichnen. Schwierige Häftlinge, deutlicher Überbelag und Personalmangel führen zu Ausnahmesituationen. Die Gewerkschaft ringt um einen Krisengipfel mit Justizministerin Alma Zadić (Grüne). Ob sie diesen Hilfeschrei nun erhört?
Etliche Hilferufe hat es aus den österreichischen Gefängnissen bereits gegeben. Der Überbelag und viel zu wenig Personal belasten die Situation enorm. Einmal mehr schlagen Gewerkschafter Alarm: „Der Strafvollzug hat fertig!“, fürchten sie, „sofern Justizministerin Alma Zadić nicht endlich Maßnahmen setzt.“
Was läuft schief? „Speziell in den letzten beiden Monaten ist die Anzahl jener Wachebeamten, die aus dem Dienst austreten, noch einmal gestiegen. Die Hintergründe sind unterschiedlich. Manche wechseln in andere Berufsgruppen, andere gehen zur Polizei“, sagt Norbert Dürnberger von der Justizwache-Gewerkschaft. Gemeinsam mit dem Gewerkschafts-Vorsitzenden Albin Simma fordert er die Justizministerin erneut zum Krisengipfel auf.
Immer weniger machen Ausbildung
„Wir haben Ausbildungsklassen, wo normalerweise 20 Schüler drinsitzen sollten. Teilweise sind diese aber nur mit zehn Schülern belegt. Und die machen ja nicht alle weiter“, sagt Dürnberger. Seit Monaten ziehe sich dieses Problem trotz intensiver Recruiting-Maßnahmen. Zahlen untermauern die Misere: Alleine in den letzten beiden Monaten quittierten rund 15 Personen österreichweit den Dienst.
Fordernder Beruf
„Rechnet man noch jene hinzu, welche die Pension antreten, kommen wir sicher auf 25 Leute. Die Anzahl jener, die aufhören, übersteigt die Eintritte um ein Vielfaches“, untermauert Dürnberger. Der Beruf sei fordernd, da die Insassen immer schwieriger werden, der Überbelag sei evident, die Dienstzeiten mit Familie kaum zu vereinbaren. Zwei Wochenenden mindestens pro Monat, dazu kommen Nachtdienste. Viele würden dies nicht mehr aushalten. Besonders düster sehe es derzeit in den Haftanstalten in Stein (NÖ), Innsbruck, aber auch in der Justizanstalt Graz-Jakomini aus.
Mario Raudner von der Personalvertretung der JA Jakomini kann das bestätigen: „Alleine in den letzten drei Monaten haben uns wieder drei Beamte durch Austritte verlassen.“ Gründe seien die hohe Zahl an Dienstantritten, die immer gewaltbereiteren Häftlinge und der oft nicht vorhandene Rückhalt von Vorgesetzten.
Alleine in den letzten drei Monaten haben uns wieder drei Beamte durch Austritte verlassen.
JW-Personalvertreter Mario Raudner
Betriebe müssen teilweise geschlossen werden
Deutlich besser sei die Situation in der Justizanstalt Graz-Karlau. Die Anzahl der Austritte halte sich hier in Grenzen. Aber: „Natürlich haben wir mit wenig Personal zu kämpfen, was dazu führt, dass wir manchmal auch Betriebe schließen müssen, wodurch die Insassen weniger ausgelastet sind“, sagt Anstaltsleiter Gerhard Derler auf Anfrage zur „Krone“.
Die Babyboomer-Generation tritt die Pension an, durch die neue Schwerarbeiterregelung fallen noch mehr Mitarbeiter weg. Hinzu kommen Sonderfälle: „Ein besonders schwieriger Insasse befindet sich aktuell in einer Anstalt und muss durchgehend von drei Beamten bewacht werden. Die fehlen dann natürlich im laufenden Betrieb“, erklärt Derler.
Wenn unserer Justizministerin der Straf- und Maßnahmenvollzug etwas wert ist, was ja immer wieder betont wird, erwarte ich mir, dass alle Verantwortlichen umgehend an einen Tisch geholt werden, um sofortige Maßnahmen zu setzen.
Justizwache-Gewerkschafter Norbert Dürnberger
Lösungen dringend gesucht
Wie kann man dieses Problem entschärfen? Dürnberger: „Es braucht auf jeden Fall zusätzliche Haftplätze. Das wird nur mit Neubauten gehen, die Politik wird eben Geld in die Hand nehmen müssen. Die Häftlingszahl wird jedenfalls nicht zurückgehen. Um die Attraktivität des Berufs zu steigern, braucht es Benefits, die sich teils auch rasch umsetzen lassen.“
Wie etwa das Klimaticket für alle Wachebeamten, wie es das bereits für anderen Berufsgruppen gibt. Außerdem fordert die Gewerkschaft eine höhere Besoldung in Form eines monatlichen Strafvollzugsbonus, eine Abfertigung analog zum ASVG-System und flexiblere Arbeitszeiten. Diese seien allerdings nur mit mehr Personal realisierbar.
Dürnberger: „Wenn unserer Justizministerin der Straf- und Maßnahmenvollzug etwas wert ist, was ja immer wieder betont wird, erwarte ich mir, dass alle Verantwortlichen umgehend an einen Tisch geholt werden, um sofortige Maßnahmen zu setzen. Wir wünschen uns auch eine Änderung des Aufnahmeverfahrens sowie ein Überdenken und gegebenenfalls eine Anpassung der nicht so erfolgreichen Recruiting-Maßnahmen.“
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