ORF-„Sommergespräch“

Nehammer: „Gibt sehr viele Vernünftige in der FPÖ“

Innenpolitik
02.09.2024 21:11

Finale der ORF-„Sommergespräche“: Bei Moderator Martin Thür ist am Montagabend Bundeskanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer zu Gast gewesen: Von Sebastian Kurz unterscheide den Kanzler vieles, Sparpaket werde es keines geben – und die Tür zur FPÖ schlägt er nicht zu.

Nach Beate Meinl-Reisinger, Werner Kogler, Herbert Kickl und Andreas Babler war am Montagabend Bundeskanzler Karl Nehammer im ORF-„Sommergespräch“ zu Gast.

„Sitzenbleiber“ Nehammer
Interessantes gleich zu Beginn des Gesprächs: Laut ORF-Einführungsbericht dürfte der ÖVP-Chef in der Schule einmal sitzengeblieben sein.

(Bild: APA/Barbara Gindl)
(Bild: APA/Barbara Gindl)

Kanzler: Farbe Türkis bleibt Teil der ÖVP-Kampagne
Was ihn von seinem Vorgänger Sebastian Kurz unterscheidet? Nehammer: „Vieles. Wir sind verschiedene Typen an Menschen, verschiedene Persönlichkeiten, wir haben unterschiedliche Biografien. Aber genau diese Vielfalt ist spannend.“

Die Farbe Türkis (erfunden in der Kurz-Ära) werde aber dennoch Teil der ÖVP-Kampagne bleiben. 

Offen für FPÖ, aber Absage an Kickl
Bei der Nationalratswahl am 29. September wolle er als Erster durchs Ziel gehen. Eine neuerliche Absage erteilte er einer Zusammenarbeit mit FPÖ-Chef Herbert Kickl. „Er glaubt an seine eigenen Verschwörungstheorien. So kann man nicht Politik machen.“ Eine Koalition mit den Freiheitlichen schloss er hingegen nicht aus. „Es gibt sehr viele Vernünftige in der FPÖ.“ Auch in der SPÖ gebe es gute Beziehungen zu „vernünftigen“ Vertretern, stellte der Kanzler fest.

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Wir sehen marxistische Konzepte auf der linken Seite und Verschwörungstheorien auf der rechten Seite. Ich stehe für eine Politik der Mitte und der Vernunft. Parteien sollten nicht von Problemen leben, sondern sie lösen. Dafür stehe ich!

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im ORF-„Sommergespräch“

„Kuchen größer machen“
Die Themen Wirtschaft und Budget waren im letzten ORF-„Sommergespräch“ zentral – schließlich hatte die ÖVP neulich einen Plan für Einsparungen in Summe von 14 Milliarden vorgelegt. Namhafte Ökonomen kritisieren die Umsetzbarkeit. „Warum kein Sparpaket?“, fragte Thür. Nehammer sprach von einem „großen Kuchen“.

Entscheidend sei, den Kuchen zu vergrößern. Schließlich habe Österreich das fünftgrößte BIP in der EU. Gegenfinanzierung? Budgets durchforsten und dann reagieren. Es gehe um Gegenfinanzierungen. Ein Plan liegt vor. „Man schaut in jedem Ministerium, ob und wo es Einsparungspotenzial es gibt. Auch müssen wir weg von direkten Förderungen.“

„Österreichische Wirtschaft hat einen Schnupfen“
Österreich sei laut Nehammer ein leistungsfähiger Wirtschaftsstandort: „Wir sind ein Exportland, wenn die deutsche Wirtschaft eine Grippe hat, hat die österreichische einen Schnupfen. Wir liegen trotzdem auf sehr hohem Niveau, Österreich liegt unter den Top fünf beim BIP pro Kopf in der EU.“

Kanzler für Abschaffung der Besteuerung von Überstunden
Weiters betonte der ÖVP-Chef, dass sich Leistung in Österreich wieder mehr lohnen müsse. „Deshalb wollen wir die Besteuerung von Überstunden abschaffen und einen Vollzeitbonus einführen. Der Sozialstaat wird nur durch die Leistung vieler finanziert, der solidarische Sozialstaat ist kein Naturereignis, er muss erarbeitet werden.“

Nehammer gegen Abschaffung des Dieselprivilegs
Eine klare Absage erteilte Nehammer einer möglichen Abschaffung des Dieselprivilegs oder der Pendlerpauschale. „Wir setzen auf Fortschritt durch Innovation, nicht durch Verbote.“

„97 Prozent Rückgang an illegaler Migration an ungarischer Grenze“
In Sachen Asyl und Migration betonte Nehammer, dass es 97 Prozent Rückgang an illegaler Migration an der ungarischen Grenze gebe. „Das sind die Früchte unserer Maßnahmen.“ Der nächste wichtige Schritt sei, mit Ländern außerhalb der EU zu kooperieren, um Rückführungen möglich zu machen.

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Die Schlepper machen inzwischen einen Bogen um Österreich. Das ist ein Ergebnis unserer Maßnahmen, unserer Kontrollen und des hohen Polizeidrucks. Wir haben 700 Schleppern das Handwerk gelegt.

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) im ORF-„Sommergespräch“

Rückführungen nach Afghanistan etwa seien kein Tabu mehr. „Auch Deutschland ist mittlerweile an unserer Seite. Niemand kann dieses Problem mehr ignorieren.“

Nehammer weiter: „Wenn wir Asylverfahren in sicheren Drittstaaten durchsetzen, zerschlagen wir das Geschäftsmodell der organisierten Kriminalität. Wir wollen geordnete Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, nicht ins Sozialsystem. Dafür finden wir in Europa immer mehr Verbündete.“

Emotionaler Kanzler beim Thema Justiz
Angriffiger wurde der ansonsten freundliche und entspannt wirkende Kanzler beim Thema Justiz. Fragen nach möglichen Interventionen seiner ÖVP in Verfahren wies er zurück und unterstellte Moderator Martin Thür mangelnde Redlichkeit bei der Recherche, weil er keine Beweise für die schweren Vorwürfe vorlege. „Es muss mit diesen Generalverdächtigungen aufhören“ gegen die Beamten und Behörden und gegen die Volkspartei, „die ständig irgendwo in die Ziehung kommt“, so Nehammer.

„85 Prozent des Regierungsprogramms umgesetzt“
Trotz vieler Differenzen mit dem grünen Koalitionspartner verteidigte Nehammer die Arbeit innerhalb der Bundesregierung. „Wir haben 85 Prozent des Regierungsprogramms umgesetzt. Auf den letzten Metern haben wir noch die Sicherheitsstrategie und das kommunale Investitionsprogramm auf Schiene gebracht. Untätigkeit kann man uns wirklich nicht vorwerfen.“

Nehammer will Kickl noch abfangen
Nehammers Ziel bei der Nationalratswahl am 29. September ist klar: Kickl doch noch abzufangen. Der Haus- und Hof-Meinungsforscher der ÖVP, Franz Sommer, sieht derzeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen, wobei die FPÖ noch auf Platz eins liege. Inzwischen rücken die beiden Spitzenkandidaten auch bei den offiziellen Umfragen immer näher zueinander.

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