Prominente Umweltorganisationen tun sich zusammen, um eine klare Forderung an die nächste Landesregierung zu stellen: Die Steiermark soll bis 2040 klimaneutral werden – und das auch gesetzlich verankern. Damit könnte unser Bundesland zum österreichischen Vorreiter werden.
Es ist ein Sommer der Extreme: In der Steiermark hinterließen mehrmals heftige Unwetter ihre Spuren, in ganz Österreich werden aktuell September-Temperaturrekorde gebrochen. Vor diesem Hintergrund vereinen nun die Organisationen Global 2000, Fridays for Future, Scientists for Future und der Klimarat-Verein ihre Kräfte. Die „Plattform Klimaneutral 2040“ fordert von der künftigen Landesregierung ein striktes Klima- und Energiegesetz.
Was in diesem Gesetz geschrieben stehen soll, legen die Umweltexperten in konkreten Vorschlägen auf den Tisch. „Die Steiermark darf nicht auf Kosten anderer leben“, sagt Severin Ettl, Koordinator der Plattform. Es geht im Kern darum, als Bundesland nicht mehr Treibhausgase auszustoßen, als hierzulande gespeichert werden können (Erklärung siehe unten).
Forderungen von Versiegelung bis Verkehr
Ebendiese Speicherung wird in Zukunft entscheidend sein. „Natürliche CO₂-Senken bieten vor allem gesunde Böden mit einer intakten Humusschicht“, erklärt Martina Stangl von Scientists for Future. Doch die Steiermark schlägt hier die falsche Richtung ein: Laut WWF Bodenreport hat sie mit 3,1 Hektar pro Tag die höchste Bodenverbrauchsrate in ganz Österreich. Umgerechnet ist das eine Fläche von etwa 4,5 Fußballfeldern, die täglich versiegelt wird.
Konkrete Forderungen stellen die Organisationen auch im Energie- und Wärmebereich: „Es braucht eine umfassende Energiewende. Die Erneuerbaren machen noch nicht einmal die Hälfte des Verbrauchs aus“, sagt Viktoria Auer von Global 2000. „Hier sollten Vorgaben gemacht werden“ – etwa bei der Ausweisung von Zonen für Windräder oder für die Energie Steiermark, die im vollständigen Eigentum des Landes ist. Zudem gehört die Sanierung von Häusern gefördert – „hier heizen wir zum Fenster hinaus“, sagt Auer.
Das grüne Herz Österreichs könnte schon bald seine Farbe verlieren.
Severin Ettl, Koordinator der Plattform Klimaneutral 2040
Auch eine nachhaltige und fleischarme Ernährung und eine angepasste Bio-Landwirtschaft gehöre forciert, außerdem ein Nein zum Ausbau der A 9. Mit diesem Maßnahmenpaket soll der steirische Ausstoß von knapp 13 Megatonnen CO₂-Äquivalenten pro Jahr drastisch reduziert werden. Mit einer gesetzlichen Verankerung der Ziele wäre die Steiermark Bundesvorreiter. Dass die Forderung laut Umweltökonom Karl Steininger „sehr ambitioniert“ ist, kontert Auer mit: „Wir haben keine andere Wahl, als ambitionierte Maßnahmen zu setzen.“
Fraglich bleibt, welche Regierung sich nach der Landtagswahl Ende November formen wird und ob diese zu einem solchen Bekenntnis bereit ist. Die „Plattform Klimaneutral 2040“ stellte vergleichbare Ansuchen auch schon an Niederösterreich, Salzburg und Kärnten. Andere Organisationen wie PV Austria oder IG Windkraft unterstützen sie dabei. Weil man in der Steiermark der FPÖ mit Prognosen von fast 30 Prozent aber sogar die Siegerrolle zutraut, ist die Umsetzung noch keineswegs garantiert.
Klimaneutralität, das ist ein sperriger Begriff. Etwas leichter lässt sich die Kohlenstoffneutralität erklären. Karl Steininger, Leiter des Grazer Wegener Centers, vereinfacht den wissenschaftlichen Ansatz so: „Es geht darum, alles, was an menschlich produziertem CO₂ emittiert wird, in CO₂-Senken speichern zu können. Die Konzentration in der Atmosphäre darf also nicht steigen.“
Speichermöglichkeiten bieten vor allem Böden, teils auch Bäume – und zukünftig womöglich technische Maßnahmen. So ließe sich CO₂ in alten Gaslagerstätten deponieren. Allerdings: „Die natürliche Speicherkapazität erfasst in Österreich nur vier bis fünf Prozent der aktuellen Emissionen, technisch wären nur ein paar Prozent mehr möglich“, rechnet Steininger vor. Die Folgerung: „Die Emissionen müssten um etwa 90 Prozent reduziert werden.“
Genau aus diesem Grund nennt er Klimaneutralität bis 2040 ein „sehr ambitioniertes Ziel“. Die Industrie müsste dekarbonisiert und die Heizung von Gebäuden umgestellt werden; der Verkehr müsste komplett von fossilen Treibstoffen wegkommen. Ziele gesetzlich zu verankern, die auf regionaler Ebene erreicht werden können, mache in seinen Augen durchaus Sinn. „Die öffentliche Hand muss konkrete Schritte vorschlagen“, stimmt er den Umweltorganisationen zu.
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