Spätestens nach der Untersuchungskommission zur Causa Wien Energie wurde der Ruf nach einem neuen Beteiligungsmanagement der Stadt Wien laut. Auch in zwei Rechnungshofberichten wurde das Thema mit zum Teil heftigen Worten kritisiert. Das hat sich die Stadt zu Herzen genommen und präsentiert jetzt einen neuen Kodex.
Schon während und nach der Untersuchungskommission wurde vor allem die Eigentümerrolle der Stadt Wien an städtischen beziehungsweise stadtnahen Unternehmen kritisiert. Auch der Stadtrechnungshof und der Bundesrechnungshof wurden in Folge auf den Plan gerufen. Und die gingen mit dem Beteiligungs- und Risikomanagement zum Teil hart ins Gericht.
Rechnungshöfe mit Kritik an Aufsichtsräten
Im Bericht des Stadtrechnungshofs war die Rede von „systemischen Schwächen in der Risikobewertung, -begrenzung, -steuerung und -berichterstattung“. Am Verhalten des Aufsichtsrats im Falle der Wien Energie und der Wiener Stadtwerke wird im Bericht kein gutes Haar gelassen. Der Rechnungshof attestiert: Die Nominierung erfolgte nicht auf Basis nachvollziehbarer Kriterien. Maßgebliches Kriterium war de facto die Nähe zur Stadt Wien.
Auch der Bundesrechnungshof urteilte, dass der Aufsichtsrat „seine Überwachungsfunktion nicht umfassend wahrnahm“. Was an der Expertise der handelnden Personen liegt, wie der Rechnungshof diagnostiziert. Wörtlich: „Die Stadt Wien und die Wiener Stadtwerke sollen auf eine fachlich ausgewogene Zusammensetzung des Aufsichtsrats der Wien Energie achten.“ Bei der Besetzung wurde laut Bericht weniger das Know-how der Aufsichtsräte federführend, sondern vielmehr „die institutionelle Nähe zur Stadt Wien“ wertgelegt.
Kritik, die sich offensichtlich auch die Stadt Wien zu Herzen nahm. Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (Neos) und Wiens Finanz- und Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) legten jetzt den „Wiener Public Corporate Governance Kodex“ (WPCGK) vor. Hinter dem sperrigen Namen verbirgt sich nichts anderes als das Regelwerk, nachdem die städtischen Unternehmen in Zukunft zu spielen haben. Die „Krone“ hat die ersten Details:
Zentrale Elemente
Der Kodex regelt unter anderem die Zusammensetzung von Aufsichtsrat und Geschäftsführung und legt transparente Entscheidungsprozesse fest. Außerdem zielt der WPCGK auf eine klare Abgrenzung der Aufgaben und Verantwortlichkeiten zwischen der Eigentümerin Stadt Wien auf der einen und den einzelnen Unternehmensbeteiligungen auf der anderen Seite ab.
Bezüglich Kompetenzen der Aufsichtsratsmitglieder heißt es konkret: „Mitglieder des Aufsichtsorgans müssen über die zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der Aufgaben erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und fachlichen Erfahrungen verfügen. Entsprechende Kompetenzprofile sowie spezifische Anforderungskriterien für die fachlichen Qualifikationen und Kompetenzen der Mitglieder sind festzulegen und periodisch zu aktualisieren.“ Prozesse für die Auswahl von Personen für Aufsichtsratsfunktionen müssen definiert und die Entscheidungsgründe dokumentiert werden.
Mit diesem Kodex gibt es zum ersten Mal einheitliche Regeln für alle städtischen Beteiligungen: Für die Wien Holding und Wien Energie, genauso wie für die Wiener Festwochen GmbH. Dadurch wird auch der Bestellprozess für Aufsichtsräte reformiert: Besonders die Cooling-Off-Phasen und der strenge Umgang mit Interessenkonflikten sind ein wichtiger Schritt.
Christoph Wiederkehr, Vizebürgermeister und Transparenzstadtrat
Bild: Jöchl Martin
Bezüglich Transparenz und Dokumentation: „Verbindliche Regelungen machen den Hauptteil des vorliegenden Kodex aus und sind uneingeschränkt zu beachten. Die Abweichung von Empfehlungen des Kodex ist vom Unternehmen verpflichtend in einem jährlichen Corporate Governance Bericht zu begründen.“ Und: „Die Entscheidungen der Stadt Wien in ihrer Eigentümerrolle von Unternehmen sind schriftlich in Form von Protokollen der Gesellschafterversammlungen oder in Umlaufbeschlüssen in nachvollziehbarer Weise zu dokumentieren.“
Der Kodex ist ein Meilenstein unserer Fortschrittskoalition, mehr als 140 Unternehmen unterliegen diesen neuen Regelungen. Verbindliche Frauenquoten und Höchstaltersgrenzen in Aufsichtsräten sind Ausdruck einer Beteiligungspolitik, die die Zeichen der Zeit erkennt.
Peter Hanke, Finanz- und Wirtschaftsstadtrat
Bild: Zwefo
Auch das Risikomanagement wurde in den jüngsten Berichten deutlich kritisiert. Auch darauf geht der neue Kodex ein. „Das Geschäftsführungsorgan sorgt für ein der Größe und wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens angemessenes Risikomanagement und -controlling sowie eine angemessene Korruptionsprävention.“ Die Geschäftsführung muss zudem zumindest vierteljährlich über den Geschäftsverlauf sowie über compliancerelevante Ereignisse bzw. Verstöße informieren.
Verstärkung für die Kontrollorgane
Doch für wen gelten diese neuen Spielregeln jetzt eigentlich? Der Kodex gilt für alle Unternehmen, an denen die Stadt Wien beteiligt ist. Dies umfasst:
Um diese Mammutaufgaben übernehmen zu können, wird zudem das Controlling ausgebaut. So hat die Finanzverwaltung zwei neue Abteilungen für „Beteiligungsverwaltung“ und „Beteiligungscontrolling“ eingerichtet. Die neuen Stellen sind bereits besetzt. Aufsichtsratsmitglieder der Stadt erhalten künftig rechtliche Beratung und regelmäßige Weiterbildung. Auch das Risiko- und Nachhaltigkeitsmanagement wird intensiver betreut und das Controlling gezielter ausgebaut.
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