Ganz Niederösterreich wurde in den frühen Morgenstunden des Sonntag zum Katastrophengebiet erklärt. Doch während draußen Starkregen und Orkanböen toben, herrscht im Sicherheitszentrum in Tulln beinahe gespenstische Stille. „Wir haben das erste Todesopfer zu beklagen“, so Johanna Mikl-Leitner.
„Wir bitten um Verständnis, dass wir die Notrufe derzeit priorisieren müssen“, sagt Landesfeuerwehrkommandant Dietmar Fahrafellner am Sonntagmorgen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Freiwillige Feuerwehr in ganz Niederösterreich bereits 2000 Einsätze auf der Warteliste. Fahrafellner: „Und es werden jede Minute mehr!“ Zur Stunde müssen sich die EInsatzkräfte darauf konzentrieren, Leib und Leben zu retten. „Zum Kellerauspumpen haben wir keine Kapazitäten“, appelliert er an die Bevölkerung Ruhe zu bewahren.
Feuerwehrmann starb im Bezirk Tulln
Dabei war es offenbar genau so ein Einsatz, der einen Feuerwehrmann in Niederösterreich in der Nacht auf Sonntag das Leben kosten sollte. Der Freiwillige war bei Auspumparbeiten in einem Keller im Bezirk Tulln auf einer Stiege ausgerutscht un zu Tode gekommen. Weitere Informationen werden zu dem Unfall vorerst nicht weitergegeben.
Nur dringend notwendige Fahrten
Daher auch der dringende Appell der Landeshauptfrau: „Bleiben Sie, wenn es nur irgendwie geht, zuhause. Sie bringen sich und auch andere Menschen in Gefahr!“ Denn die Kräfte der „Sicherheitsfamilie Niederösterreich“ würden zur Zeit übermenschliche Arbeit verrichten – allen voran natürlich die Feuerwehr. Sie sind seit Tagen im Einsatz, um Land und Leute für den Naturgewalten zu schützen. Mehr als 1000 Häuser mussten vorsorglich bereits evakuiert werden, hier natürlich besonders im Einzugsbereich des Kamp.
Kamp-Stauseen sind bald voll
Wie berichtet, hatte auch der Energieversorgen EVN in den vergangenen Tagen intensiv daran gearbeitet, in der Speicherseekette entlang des Kamp genügend Kapazitäten zu schaffen. 132 Millionen Kubikmeter Wasser wurden vorsorglich abgelassen – doch auch das wird nicht reichen. Wie Sprecher Stefan Zach nach der Krisenstabssitzung betont, werden zur Zeit 120 Kubikmeter Wasser pro Sekunde abgelassen, es kommen aber 480 Kubikmeter pro Sekunde nach: „Am frühen Nachmittag müssen die Schleusen in Ottenstein geöffnet werden.“
Mehrere „100-jährige Hochwasser“
Landeshauptfraustellvertreter Stephan Pernkopf leitet den Krisenstab des Landes. Er spricht von nie dagewesenen Wassermassen. „An vielen großen Flüssen haben wir Pegelstände, die nur alle 30 Jahre vorkommen, an den Zuläufen sind es 100-jährige Hochwasserstände und darüber hinaus“, warnt er vor bangen Stunden. Denn für Sonntag sind noch Niederschläge von 60 Litern pro Quadratmeter und mehr prognostiziert. Und: „Die Böden sind voll, der Regen läuft sofort in die Bäche. Es wird zu weiteren Überflutungen kommen!“
Einsatzkräfte aus Nachbarbundesländern
Sämtliche 1169 Feuerwehren in Niederösterreich sind im Alarmzustand, mehr als 20.000 Männer und Frauen zu jeder Zeit im Einsatz. Weil in Niederösterreich jetzt Katastrophenalarm herrscht, können auch Truppen aus anderen Bundesländern angefordert werden. Freiwillige aus der Steiermark, Kärnten, Oberösterreich und dem Burgenland sind bereits vor Ort und entlasten die heimischen Einsatzkräfte.
Bundesheer macht sich mobil
Das Militärkommando Niederösterreich zieht indes seine Kräfte für den bevorstehenden Assistenzeinsatz zusammen. „Derzeit sind die Soldaten auf dem Weg in die Kaserne“, heißt es. Rund 1000 Mann sollen noch heute einsatzbereit sein, auch in den westlichen Bundesländern werden bereits die Kräfte zusammengezogen. Laut Kommando verstärkt das Militär etwa das Rote Kreuz mit geländegängigen Sanitätsfahrzeugen, um zu Patienten vorzudringen.
Dank der Landeshauptfrau
„Unser Dank gilt alles Einsatzkräften, allen voran natürlich der Feuerwehr, aber auch der Rettung und Polizei, dem Zivilschutzverband und dem Bundesheer“, so Mikl-Leitner. Sie hob auch die unzähligen privaten Helfer hervor, die Nachbarn und Angehörigen in diesen schweren Stunden helfen: „Die Kraft der Gemeinschaft stellt sich hier gegen die Kraft der Natur.“
Niederösterreich war immer ein starkes Land. Und auch jetzt helfen wir alle zusammen, um diese Katastrophe zu bewältigen. Das war beim Hochwasser 2002 schon so, das war beim Hochwasser 2013 so, und das wird auch beim Hochwasser 2024 so sein!
Johanna Mikl-Leitner, Landeshauptfrau von Niederösterreich
Bild: APA/TOBIAS STEINMAURER
Was heißt das für die Schulen?
Auch wenn der Regen in der Nacht auf Montag nachlassen soll, werden auch zum Wochenbeginn weitere Niederschläge erwartet. Die Schulen sollen aber geöffnet bleiben, heißt es. Auch wenn für viele die Anreise vor allem mit den Öffis nicht möglich sein wird. Mikl-Leitner dazu: „Wir werden alles tun, dass unsere Schulen am Montag offen sind. Aber niemand soll sich auf dem Weg in den Unterricht in Gefahr bringen.“ Die Kinder sollen am Montag also nach Möglichkeit daheim bleiben, so die Landeshauptfrau.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.