Eine weitere schwere Nacht liegt hinter den Niederösterreichern und vor allem den heimischen Einsatzkräften. Während sich die Pegelstände leicht entspannt haben, sorgen gesättigte Böden und aufgeweichte Dämme immer wieder für neue Überschwemmungen. Und in den nächsten 24 Stunden sind weitere 80 Liter Regen pro Quadratmeter prognostiziert.
Journalisten sind im Tullner Sicherheitszentrum bereits Stammgäste, Niederösterreichs Landeshauptfrau-Stellvertreter Stephan Pernkopf war als Leiter des Krisenstabs die ganze Nacht vor Ort. Viel geschlafen hat er aber nicht, denn „es gibt immer etwas zu tun“, heißt es aus seinem Umfeld. Die Koordinierung der Einsatzkräfte stellt ihn und Landesfeuerwehrkommandant Dietmar Fahrafellner vor große Herausforderungen.
Gefahr ist noch nicht gebannt
Nach der Sitzung des Krisenstabes zog Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner Bilanz über eine weitere fordernde Nacht. Teilweise waren bis zu 20.000 Haushalte ohne Strom, bis zum Montagmorgen sank diese Zahl auf 3500. Mehr als 1800 Haushalte mussten wegen Gefahr im Verzug evakuiert werden, der Großteil der Betroffenen kam bei Bekannten oder Verwandten unter. Rund 170 Personen wurden in Notunterkünfte gebracht.
Besonders angespannt bleibt die Lage im Zentralraum, in den Bezirken St. Pölten, Krems und Tulln laufen die Sirenen im Dauertakt. Die Feuerwehr ist mit Luftunterstützung des Bundesheeres mit zwei Black Hawks unterwegs in die Krisengebiete in Hadersdorf am Kamp sowie rund um das Sportzentrum in der Landeshauptstadt. Insgesamt stehen mehr als 1000 Soldaten im Assistenzeinsatz, helfen vor allem bei Aufräumarbeiten.
Zwölf Orte derzeit nicht erreichbar
Fokus liegt laut Feuerwehrchef Fahrafellner vor allem auf den Straßen. Montagmorgen waren zwölf Ortschaften in Niederösterreich von der Außenwelt abgeschnitten. Bis zu 25.000 Feuerwehrleute sind ständig im Einsatz. Neben den Bundesheer-Helikoptern sind auch Hubschrauber des Innenministeriums sowie die Christophorus-Flotte im Einsatz. Denn nach wie vor müssen Menschen von Haus- und Autodächern aus den Fluten gerettet werden. Insgesamt ist von 800 Menschenrettungen aus der Luft die Rede.
Der öffentliche Verkehr ist großteils zum Erliegen gekommen, das gesellschaftliche Leben macht Pause – und auch in vielen Schulen des Landes dürften zum Unterrichtsbeginn mehr Lehrer als Kinder erschienen sein. Landesweit sind mehr als 200 Straßen gesperrt, zahlreiche Parkplätze vor Einkaufszentren überflutet.
„Bitte bleiben Sie zu Hause!“
Erschwert wird die Arbeit der Einsatzkräfte zudem immer wieder von Schaulustigen. „Sie bringen sich selbst und auch die Freiwilligen der Feuerwehr und der Rettung in Gefahr, wenn Sie auf eigene Faust in Krisengebiete fahren“, bringt es Landeshauptfrau Mikl-Leitner auf den Punkt. Dringender Appell der Florianis: Zivile Helfer sollen sich von Gefahrengebieten fernhalten. „Wir sind mit unseren geschulten und trainierten Kameraden im Einsatz. Außerdem haben wir einfach nicht mehr Geräte“, so Fahrafellner.
Hilfe aus anderen Bundesländern
Mehr als 1000 Freiwillige aus anderen Bundesländern, hier vor allem aus der Steiermark und Oberösterreich, sind nach Niederösterreich ausgerückt, um die heimischen Florianis zu unterstützen. „Unsere Feuerwehr hat in den vergangenen Jahren immer wieder im In- und Ausland bei Katastrophen geholfen. Diese Hilfe kommt jetzt zurück“, bedankt sich Mikl-Leitner.
Wir sind mit unseren geschulten und trainierten Kameraden im Einsatz. Außerdem haben wir einfach nicht mehr Geräte.
Feuerwehrchef Fahrafellner
Und diese Hilfe kann viele Formen annehmen: Aus Wien etwa kam eine Lieferung mobiler WC-Anlagen, die nun in jenen Gebieten aufgestellt werden, so die Kanalisation versagt. „Um den Menschen zumindest die Notdurft zu ermöglichen“, wie Fahrafellner betont. Seit dem tragischen Unglück, bei dem ein 75-jähriger Feuerwehrmann im Bezirk Tulln ums Leben gekommen ist, sind keine weiteren Unfälle zu verzeichnen. Vier Kameraden wurden seit Beginn des Katastropheneinsatzes leicht verletzt.
Noch keine Entwarnung für NÖ
Entwarnung kann man aber noch keine geben, sagt Landesvize Stephan Pernkopf: „Die Böden sind voll, jeder Regentropfen wird sofort in die Bäche gespült. Und langsam stoßen viele Betroffene und auch Helfern an ihre körperlichen und psychischen Grenzen.“ Derzeit seien Dutzende Gemeinden zumindest vorübergehend ohne Strom und Wasser. Lokale Supermärkte versorgen die Bevölkerung aber mit Trinkwasser. „Niederösterreich ist zusammengerückt“, zieht Mikl-Leitner Bilanz.
Schaden noch nicht abzusehen
Die Schadenssumme ist dabei noch gar nicht abzusehen. Das Land zieht bereits jetzt die Schadenkommissionen zusammen, um ab Dienstag oder spätestens Mittwoch mit den ersten Begutachtungen vor Ort zu beginnen. Mikl-Leitner erinnerte dabei noch einmal an das Versprechen von Bundeskanzler Karl Nehammer, im Bedarfsfall auch den Katastrophenhilfsfonds des Bundes aufzustocken: „Jedem wird geholfen“, sagt sie. Doch bevor es ans große Aufräumen geht, liegen vorerst noch einige bange Stunden vor uns.
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