Gegen die Stimmen der SPÖ, KPÖ und der Grünen hat die schwarz-blaue Landesregierung in Salzburg heute die Novelle des Naturschutzgesetzes durchgeboxt. Experten und Naturschutzorganisationen kritisieren die Neuerungen. Endgültig beschlossen wird das Gesetz dann im Landtag.
Projekte für Wind- und Wasserkraft oder Photovoltaik sollen fortan über Naturschutzinteressen stehen. Das ist der Kernpunkt, der heute im Ausschuss des Salzburger Landtages nach einer dreistündigen Sitzung beschlossen wurde. Dies gilt jedoch nicht nur für Bauten und Betrieb der Kraftwerke, sondern auch Zufahrtswege, Netzanschlüsse und Speicheranlagen.
Schnellere Verfahren angestrebt
Die Landesregierung argumentiert die Änderungen mit der besonderen Bedeutung, die der Erzeugung von Strom und Gas aus erneuerbaren Energiequellen wegen des Klimawandels zukommt. In den sogenannten „Beschleunigungsgebieten“ soll die Bewilligungs- und Anzeigepflicht von Projekten überhaupt entfallen. Außerhalb der „Beschleunigungsgebiete“ ändert sich gegenüber der bestehenden Rechtslage für Kraftwerksneubauten nichts, für Nebenanlagen ab einer gewissen Größe entfällt aber die Bewilligungspflicht zugunsten einer Anzeigepflicht.
Entmachtung der LUA vollendet
Zugleich verliert die Landesumweltanwaltschaft (LUA) ihr Revisionsrecht vor dem Höchstgericht. Zwei weitere Änderungen sind noch hinzugekommen: Das eine betrifft eine weniger scharfe Definition von Trocken- und Magerstandorten, also außerordentlich arten- und blütenreichen Lebensräumen, das andere den Entfall des Lebensraumschutzes im gewidmeten Bauland.
Private Gutachter möglich
Neu ist auch, dass die Beiziehung von nicht amtlichen Sachverständigen in Verfahren zulässig bzw. erleichtert wird, was schon in der Vergangenheit für Kritik von Naturschutzorganisationen sorgte. „Gutachter werden vom Einschreiter bezahlt. Das wird eine Zwei-Klassen-Gesellschaft fördern. Bei einem Höchstsatz von 250 Euro pro Stunde werden sich nicht alle Interessensparteien einen Gutachter leisten können“, kritisiert der Naturschutzbund die Änderung.
Grüne: „Artensterben wird befeuert.“
Kritik an den Novellen kam heute im Landtagsausschuss vor allem von den Grünen. Klubchefin Martina Berthold sprach von einem „Anschlag auf unsere Lebensgrundlagen, unsere Sicherheit und unsere Zukunft.“ Viele kritische Stimmen seien im Begutachtungsverfahren überhört worden: „Unter dem Deckmantel der Verfahrensbeschleunigung wird der Naturschutz massiv geschwächt.“ Es gäbe zielführendere Lösungen. Das Artensterben würde massiv befeuert.
Berthold außerdem: „Anstatt unserer Natur wieder mehr Raum zu geben, werden mit dieser Novelle die Betonmischer gestartet. Unser Boden wird noch mehr versiegelt und wertvolle Wiesen dem Profit geopfert. Damit sägen wir an dem Ast, auf dem wir selber sitzen. Und das wird die Überschwemmungen in den kommenden Jahren noch weiter verschärfen.“
SPÖ: „Gibt keine fachliche Grundlage.“
Ins gleiche Horn stößt SPÖ-Abgeordnete Karin Dollinger: „Den Gipfel der heutigen, fachlich abenteuerlichen ÖVP-FPÖ-Abhandlung im Landtag, brachte aber das Thema der Trocken- und Magerstandorte, die zwischenzeitlich in diese Novelle mit hineingepackt wurden. Eine tatsächlich fachliche Grundlage gibt es für diesen Punkt der Novelle nicht. Im Gegenteil führte der im Ausschuss heute geladene Experte, Christian Eichberger, aus, dass niemand dies erkennen könne, außer Profis und dass ein extremer Verlust an wertvollen Flächen mit dieser willkürlich gewählten Prozentwertänderung verbunden sei.“
Und zur LUA lässt die SPÖ ausrichten: „Laut LUA werden jährlich rund 700-800 Verfahren mit zumindest einer Grobprüfung behandelt. In 400-450 Verfahren wird die Parteistellung wahrgenommen und sich näher eingebracht, in durchschnittlich nur 11 Verfahren erhebt die LUA Beschwerde und nur vereinzelt nutzte die LUA ihr bisheriges Revisionsrecht vor dem Höchstgericht.“
Regierung argumentiert für Novelle
Vertreter der Regierungsparteien taten die Warnungen hingegen als „Übertreibungen“ und „Unterstellungen“ ab. Man dürfe im Ökosystem nicht auf den Menschen vergessen, sagte Energie-Landesrat Josef Schwaiger (ÖVP). Landeshauptmannstellvertreterin Marlene Svazek (FPÖ) verwies darauf, dass man den ursprünglich vorliegenden Gesetzesentwurf verbessert habe. Svazek wolle auch den Vertragsnaturschutz weiter ausbauen, wie sie betonte.
Experte warnt vor Insektensterben
Eine eindringliche Warnung kam im Landtag vom Biologen Helmut Wittmann. Dieser hat mit seinem Institut für Ökologie schon dutzende Kraftwerksbauten als ökologischer Planer begleitet. „Man dreht in eine gefährliche Richtung“, sagte er. Er orte einen Automatismus bei der Bewilligung von Kraftwerksprojekten.
Kommentare
Liebe Leserin, lieber Leser,
die Kommentarfunktion steht Ihnen ab 6 Uhr wieder wie gewohnt zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
das krone.at-Team
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.