Special Olympics

„Viele haben Angst, sich falsch zu verhalten“

Vorarlberg
23.09.2024 12:32

Autor Robert Schneider widmet sich in seiner neuen Serie dem vielfältigen Vereinsleben in Vorarlberg – diesmal unterhält er sich mit Edwine Schittl über die Special Olympics und das Golfen. 

Mit Golfspielen verbindet man noch immer das Freizeitvergnügen betuchter Leute, die es sich leisten können, auf hochelegantem Rasen einen kleinen Ball mit möglichst wenigen Schlägen vom Abschlag ins Loch zu befördern. Dass sich dieser Sport aber hierzulande just Menschen mit Beeinträchtigung geöffnet hat, ist in besonderem Maß Edwine Schittl zu verdanken und dem Golfclub Bludenz-Braz.

Seit vielen Jahren ist Frau Schittl nämlich ehrenamtlich (seit vergangenem Jahr hauptverantwortlich in der Sektion Golf) bei den „Special Olympics Vorarlberg“ tätig. Nicht zu verwechseln mit den „Paralympics“, jener an der Idee der Olympischen Spiele inspirierten Wettkämpfe für Sportlerinnen und Sportler mit körperlicher Beeinträchtigung.

„Wir haben einen Dresscode“
Ich treffe die sehr agil wirkende Dame an diesem sonnigen, aber kühlen Herbstmorgen in einem Dornbirner Café. Mit nicht wenig Stolz trägt sie die Fleecejacke mit dem Logo der „Special Olympics“. Wie ihr überhaupt Etikette und ein gerüttelt Maß an Anstand sehr wichtig sind im Leben. „Wir haben in diesem Sport nun mal einen Dresscode, und den fordere ich auch ein, wenn wir unified spielen.“ Unter unified versteht sie das gemeinsame Spielen mit beeinträchtigten Menschen.

Ich frage gleich nach Frau Schittls Wurzeln, denn der Name lässt nicht auf eine Herkunft aus dem Ländle schließen. „Mein Mann und ich stammen beide aus der Steiermark. Wir sind jetzt schon bald 35 Jahre in Vorarlberg zuhause. Ich meine wirklich zuhause, also hier angekommen. Dabei fing es eigentlich mit einem Urlaub an. Das war im Jahr 1989, da machten wir mit unserem kleinen Sohn, der noch nicht zur Schule ging, Campingurlaub am Bodensee. Mein Mann, der sich ohnehin beruflich verändern wollte, ist noch im Urlaub zum Arbeitsamt gelaufen, hat sich ein paar Adressen besorgt, und drei Monate später waren wir dann endgültig in Vorarlberg.“

Im Fußballclub integriert
Wie das Ankommen und die Aufnahme in Vorarlberg gewesen sei, möchte ich wissen. „Mein Mann spielte Fußball und war sofort in einem Verein. Dadurch waren natürlich schnell Kontakte hergestellt. Wir haben uns überhaupt nie schwergetan mit Bekanntschaften. Zu meinen Buben habe ich immer gesagt: ’Wenn sie auch nicht zurückgrüßen, heißt es nur, dass sie uns halt noch nicht kennen.’“

„Ihre Familie scheint sehr sportlich zu sein“, frage ich weiter. „Sie spielen auch seit vielen Jahren Golf. Gab es eine Initialzündung, ein Erlebnis, das Sie bewogen hat, mit beeinträchtigten Menschen Golf zu spielen?“ – „Das ist ganz einfach erklärt. Im Golfclub lernt man natürlich Leute kennen“, antwortet Edwine Schittl. „Dort haben wir Bekanntschaft mit einem Mann gemacht, dessen Tochter das Down-Syndrom hat. Der fragte uns, ob wir nicht einmal Unified-Partner beim Golfen sein möchten. Mein Mann und ich sagten: ’Warum nicht?’ Kommt noch hinzu, dass wir nie Berührungsängste hatten. Ich glaube nämlich, dass viele Leute gerne etwas in dieser Hinsicht tun würden, also das Arbeiten mit beeinträchtigten Menschen, bloß haben sie Angst, dass sie sich falsch verhalten. Im Grunde musst du eigentlich gar nichts tun, nur du selbst sein. Diese Menschen wollen als vollwertig betrachtet werden. Sie brauchen Regeln, wie wir sie brauchen. Man muss eine Linie haben, dann tut man sich überhaupt nicht schwer. Tja, und im Jahr 2010 waren wir zum ersten Mal bei den nationalen Spielen in St. Pölten als Unified-Partner mit dabei. Ein Jahr später bin ich schon zu den Olympischen Spielen nach Athen gefahren. Zu den Special Olympics wohlgemerkt.“

Edwine Schittl.  (Bild: mathis.studio)
Edwine Schittl. 

„Jetzt erklären Sie bitte einem Laien wie mir den Unterschied zwischen Special- und Paralympics?“ – „Das ist schnell erklärt. Paralympics sind Sportler, die z. B. durch einen Unfall beeinträchtigt sind, während die Special Olympics meistens betreut sind, zuhause wohnen, also nicht in der Lage sind, ihr Leben ohne Hilfe zu meistern.

Je länger ich mich mit Frau Schittl unterhalte, umso herzlicher gibt sie Auskunft über ihre ehrenamtliche Tätigkeit im Golfclub. Man sieht ihr die Freude förmlich an, wenn sie von dem Sport erzählt und den beeinträchtigten Menschen, die sie darin begleitet. Ich bohre etwas nach und will in Erfahrung bringen, warum sie das alles auf sich nimmt. „Diese Frage wurde meinem Mann und mir einmal ganz unabhängig voneinander gestellt. Beide haben wir genau dasselbe geantwortet: Uns hat der Liebe Gott gesunde Kinder und gesunde Enkelkinder geschenkt. Wir möchten das, was uns geschenkt wurde, vielleicht auch erspart geblieben ist, auf diese spezielle Weise zurückgeben.“ 

„Die Special Olympics sind in Vorarlberg ja sehr breit aufgestellt. Es gibt nicht nur das Golfen.“ – „Nein, wir haben da eine Vielzahl an Sportarten. Vom Fußball über Tennis, vom inklusiven Kindertraining über Tanzen oder Bogenschießen, vom Boccia über Nordic Walking, usw. Also da wird wirklich sehr viel angeboten.“ – „Wie ist der Verein strukturiert?“ – „In Special Olympics Österreich sind alle Bundesländer vereint. Das ist die Dachorganisation. Jedes Bundesland hat einen eigenen Koordinator.“

„Herrliche Momente“
Zum Abschluss unseres Gesprächs stelle ich Frau Schittl die Frage, ob eine wirkliche Augenhöhe mit beeinträchtigten Menschen im Sport überhaupt möglich ist. Sie gibt mir eine klare und wie selbstverständlich wirkende Antwort: „Wenn ich unified spiele, also mit meinem Partner oder der Partnerin, so spielen wir immer abwechselnd. Wir sind ein Team. Mir ist klar, dass ich da nur ein kleiner Teil bin, denn das ganze Augenmerk gilt dem Athleten oder der Athletin. Natürlich wollen wir unbedingt gemeinsam gewinnen. Wenn ich zum Beispiel einen Ball versemmelt habe, kriege ich schon mal zu hören: ’Du, den bessere ich jetzt aus.’ Das sind herrliche Momente. Da gibt es kein Augenzudrücken oder Schummeln. Diese Menschen wollen einfach das, was jeder verdient: ernst genommen werden. Das Größte ist es ja, wenn es uns Betreuern gelingt, dass sie im Laufe der Jahre lernen, selbstständig zu spielen. Das ist wirklich das größte Geschenk.“

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