Ein einigermaßen fairer und sachlicher Wahlkampf geht zu Ende. Die Spitzenkandidaten haben sehr unterschiedliche Reisen hinter sich: Gestört hat zumindest einen nur die eigene Partei, einer hatte einen Lauf, einer wird die künftige Regierung mitentscheiden.
Was ist die wichtigste Disziplin in einem Wahlkampf? Die Fehlervermeidung. Die Kampagnenteams aller Spitzenkandidaten achten rund um die Uhr darauf, dass deren Frau, deren Mann nichts Falsches sagte, nichts Peinliches macht und nicht blöd grinst wie einst der deutsche CDU-Spitzenkandidat Armin Laschet beim Hochwasser. Das haben in diesem Wahlkampf alle Spitzenkandidaten und ihre Mitarbeiter bis zuletzt hingekriegt. Keiner stolperte, keiner lachte falsch, keiner sagte Dinge, für die man sich wieder entschuldigen musste. Die größte Panne passierte in der SPÖ ...
Der im Duracell-Hasen-Modus wahlkämpfende Andreas Babler konnte nur bedingt etwas dafür: Doris Bures hatte in einem Mail an die Mitglieder des SPÖ-Parteipräsidiums ihren Unmut über das Wahlprogramm und den Kurs Bablers formuliert. Das digitale Briefchen ging prompt an die „Krone“ und damit an die Öffentlichkeit (siehe Faksimile unten).
Babler entschuldigte sich danach wortreich live im ORF. Nicht für das Programm, sondern für das Bild, das die SPÖ biete. Der interne Streit schwelt weiter. Am Rande mischen auch Burgenlands Hans-Peter Doskozil und Altparteichef Christian Kern mit.
Kanzler im Duell mit Herbert Kickl
Karl Nehammer kennt solche Probleme nicht, die Partei steht geeint hinter ihm. Die SPÖ-Probleme und sein Kanzlerbonus im Krisenmanagement bei der Hochwasserkatastrophe brachten Nehammer vom Kampf um Platz zwei ins Duell mit Herbert Kickl um den Einser. Damit droht Kickl auf den letzten Metern einen fix prognostizierten Wahlsieg zu verlieren. Aber die Umfragen sind mehr als knapp. Die Nervosität stieg im siegessicheren freiheitlichen Lager zuletzt und damit wurde auch der Ton wieder deutlich rauer. Der war in diesem Wahlkampf auch schon vor der Flutkatastrophe ungewöhnlich sachlich.
Alle hielten sich an das zweitwichtigste Prinzip in einem Wahlkampf: das Porzellan nicht ganz zu zerschlagen. Nach dem vorvergangenen Wahlkampf wäre eine Koalition zwischen Sebastian Kurz und Christian Kern undenkbar gewesen. Andererseits bewiesen ÖVP und FPÖ nach schmutzigen Landtagswahlkämpfen, wie schmerzbefreit Politik sein kann.
Wer mit wem?
Nehammer und Kickl gingen etwa in ihrem TV-Duell fast höflich miteinander um. Wenige Tage davor war das ganz anders gewesen. Dass Nehammer und Babler nach einer solchen aggressiven Konfrontation eine gemeinsame Regierung bilden könnten oder müssten, wirkte fast unvorstellbar. Doch genau das dürfte passieren.
Kanzler Nehammer und Vizekanzler Babler könnten mit den NEOS nur noch einen Mehrheitsbeschaffer benötigen. Die haben wie selten zuvor eine Oppositionspartei um eine Regierungsbeteiligung geworben. Die Grünen scheinen sich mit ihrem Schicksal auf der Oppositionsbank abgefunden zu haben.
Und die FPÖ? Nicht wirklich. Teile der Führung, Funktionäre und ihre Wähler wollen die Partei in der Regierung. Funktionieren kann das ausgerechnet dann, wenn die FPÖ nicht den ersten Platz schafft. Die plötzlich trotz prozentuellen Verlusten siegreiche ÖVP könnte wegen unüberbrückbarer inhaltlicher Unterschiede mit der SPÖ doch wieder bei der FPÖ landen.
Deren Programm wurde absichtlich als Annäherung an die ÖVP geschrieben. Dieser Sonntag und die kommenden Wochen hängen somit an Herbert Kickl. Siegt er, bleibt er auf Platz zwei Parteichef und potenzielles Regierungsmitglied oder überlässt er Partei und mögliches FPÖ-Regierungsteam? Um es kurz zu formulieren: Es geht nicht mit Kickl. Es geht nicht ohne Kickl.
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