Der gefeuerte Brucknerhaus- und LIVA-Chef Dietmar Kerschbaum hat sich mit einem Konzept für diesen Job beworben, für das er nicht das alleinige Copyright hatte. Das förderten Recherchen des neuen Aufsichtsratsvorsitzenden Meinhard Lukas zutage. Und: Ex-Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) habe demnach eine – bisher medial unbekannte – Whistleblower-Meldung ignoriert.
Heuer im März waren via „Falter“ massive Compliance-Vorwürfe gegen den damaligen LIVA-Chef (Linzer Veranstaltungsgesellschaft) Dietmar Kerschbaum öffentlich geworden sowie, dass seine Bestellung wohl geschoben gewesen sei, wir haben darüber berichtet.
Der Linzer Stadtchef Klaus Luger zeigte sich empört ob der Compliancevorwürfe, rückte von Kerschbaum ab und im Juli folgte die Entlassung des Intendanten.
Dass Kerschbaum die Hearingfragen vorab „anonym“ zugespielt bekam, sei ihm aus einer Whistleblowermeldung bekannt gewesen und er habe dazu ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, so der Stadtchef damals. Fazit damals: Die Quelle des Leaks lasse sich nicht mehr feststellen. Einem Medium zugespielte Chats belegten dann, dass Luger selbst die Fragen weitergeleitet hatte. Der Stadtchef trat zurück. Die Staatsanwaltschaft Linz ermittelt gegen ihn wegen des Verdachts der Untreue.
Neu ist: Es gab zwei Informanten
Soweit, so bekannt. Am Freitag hat Lukas nun einen ersten Zwischenbericht zur Aufarbeitung der Causa vorgelegt und dieser birgt einige brisante Neuigkeiten - etwa, dass nicht nur eine, sondern zwei Whistleblower-Meldungen im November eingingen: neben jener zum Hearing auch eine bezüglich der Complianceverstöße. Letztere ließ Luger aber versanden, obwohl der Informant die Vorwürfe mit Dokumenten belegte, und zudem gesetzlich Anspruch auf Antwort hat. Bei den Compliance-Vorwürfen geht es u.a. um In-Sich-Geschäfte, Nebenbeschäftigungen, Vergabevorgänge, Spesen- und Reiseabrechnungen.
Durchleuchtet wurde auch der Bestellungsprozess
Der LIVA-Chefposten war am 26. November 2016 ausgeschrieben worden. Luger und Kerschbaum haben sich aber bereits wesentlich früher darüber ausgetauscht, zeigen ihre in einem Medium veröffentlichten Chats: Ende August 2016 hatte Luger Kerschbaum „vertraulich“ informiert, dass neu besetzt werde. Anfang Oktober bedankte sich Kerschbaum beim Stadtchef für ein „Paket“, das er sich ansehen werde – der Verdacht liegt nahe, dass es sich dabei um Unterlagen zur LIVA gehandelt hat, denn das von Kerschbaum eingereichte Konzept „war sehr kundig, was die Zahlen des Hauses betrifft“. All das trug sich vor dem Datum der Ausschreibung zu.
Fremdes Konzept nicht aufgefallen
Lukas förderte allerdings einen weiteren bemerkenswerten Aspekt zutage: Das detaillierte Konzept, das Kerschbaum bei seiner Bewerbung präsentierte, trug auf allen Seiten den Vermerk „Copyright Dietmar Kerschbaum et al.“ (et alia/“und andere“, Anm.) und am Ende sogar „unübersehbar“ den ausführlichen Hinweis, dass das Programm von jemand anderem – einem später unter Kerschbaum angestellten Dramaturgen - erstellt wurde und ohne Genehmigung dieser Person nicht umgesetzt werden dürfe. „Das gilt insbesondere für eine Umsetzung der Konzeption(en) durch das Brucknerhaus“, wird explizit festgehalten. „Das ist niemandem aufgefallen in der Hearingkommission“, auch nicht dem Personalberater, wundert sich Lukas.
Erhöhung trotz genehmigter Nebengeschäfte
Um den Dienstvertrag Kerschbaums rankten sich bisher viele Rätsel. Außer Luger, der Gesellschaftervertreter und Vorsitzender des Kontrollgremiums Aufsichtsrat in wenig transparenzfördernder Personalunion war, soll ihn kaum jemand zu Gesicht bekommen haben. Was der Intendant verdient hat, wird aus Datenschutzgründen auch weiter nicht veröffentlicht, allerdings bekam er – Wertanpassung eingerechnet – brutto um 22 Prozent mehr als sein Vorgänger Hans Joachim Frey. Und: „Alle Mitglieder im Aufsichtsrat wussten um die Höhe des Gehalts“, so Lukas.
Bei der Verlängerung des Vertrags 2022 wurde um weitere zwölf Prozent aufgestockt. Zudem wurden Kerschbaum nicht nur die Intendanz des „jOpera“-Festivals in Jennersdorf sowie Engagements als Sänger genehmigt, sondern auch seine eigene Eventmanagementfirma – letzteres dürfte der Aufsichtsrat aber nicht gewusst haben.
Fragwürdiges Rechtsgutachten ist teuer
Eine besondere Posse rankt sich um das Rechtsgutachten, dass die durchgestochenen Hearingfragen betrifft: Obwohl Luger selbst die undichte Stelle war, behauptete er stets, Kerschbaum habe die Fragen von „unbekannter Seite“ bekommen und gab sogar ein Rechtsgutachten - Kostenpunkt 15.884,29 Euro (netto) – zu dem Thema in Auftrag.
Wie geht es weiter?
Lukas betont, dass er zutage gefördert hätte, wie „die Politik mit der LIVA umgegangen ist.“ Das sei aber „getrennt vom Herzstück“ der LIVA zu betrachten, damit meinte er die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Künstlerinnen und Künstler, Sportlerinnen und Sportler, die in den Kultur- und Sporthäusern der LIVA „einen fantastischen Job“ machen.
In Bezug aufs Brucknerhaus müsse ein „Lernprozess“ beginnen, das Ziel sein ein neues Regelwerk für das Auswahlverfahren einer künstlerischen Leitung: „Wir wollen internationale Persönlichkeiten ansprechen.“
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