(Bild: KMM)

Ein echter Steirer

Er war das „Überraschungsei“ der Habsburger

 

Erzherzog Johann war einer der talentiertesten Habsburger des 19. Jahrhunderts, heiratete eine Postmeistertochter und wurde zum inoffiziellen Landespatron der Steiermark.

Dass er einmal zum Inbegriff des stolzen Steirers werden sollte, ahnte bei seiner Geburt niemand. Erzherzog Johann kam 1782 in Florenz zur Welt. Er war der Sohn von Großherzog Leopold II. der Toskana, einer Nebenlinie des Hauses Habsburg. Johanns Vater stieg nach dem Tod seines älteren kinderlosen Bruders, Kaiser Joseph II. 1790 selbst zum Kaiser auf, und damit begann Johanns Geschichte in Österreich.

Als er mit Vater und Geschwistern nach Wien zog, sprach er besser Italienisch als Deutsch und hatte – so nahm man es zumindest an – ein unaufgeregtes Leben vor sich. Denn als neunter Sohn eines Kaisers hatte er keinerlei Chance, irgendwo seinen persönlichen Stempel aufzudrücken – weder politisch noch gesellschaftlich. In die Geschichte würde dieser Habsburger sicherlich nicht eingehen.

Der Erzherzog wollte keine Romanze, sondern heiraten

Doch Johann entpuppte sich als „Überraschungsei“ der Habsburger – und was für eines! Kein Habsburger trug mehr zum positiven Image und zur Verankerung der Dynastie bei Land und Leuten bei als Erzherzog Johann. Großen Anteil an dieser Entwicklung hatte eine Frau. Erzherzog Johann verliebte sich in die Ausseer Postmeistertochter Anna Plochl, doch anders als es unter seinesgleichen und zu dieser Zeit üblich war, wollte er keine bloße Romanze, sondern Anna zu seiner Ehefrau machen. Vom Wiener Hof kam sofort ein „Nein“ – ein Habsburger durfte keine Bürgerliche heiraten.

Doch Johann ließ nicht ab von Anna, bearbeitete zehn Jahre seinen Bruder Kaiser Franz I. und erlangte schließlich die Heiratserlaubnis. Der Preis dafür war hoch: Johann verlor seinen Platz in der Thronfolge und seine Nachkommen durften nicht seinen Namen tragen – sie erhielten stattdessen die Bezeichnung „Grafen von Meran“. Der Wiener Hof erhob Ehefrau und Sohn schließlich in den Adelsstand.

Der Kaiserbruder und die Ausseer Postmeistertochter (Bild: picturedesk.com/Austrian Archives / brandstaetter images / picturedesk.com)
Der Kaiserbruder und die Ausseer Postmeistertochter

Erzherzog Johann war einer der talentiertesten Habsburger des 19. Jahrhunderts. Er absolvierte wie alle männlichen Habsburger die obligatorische Laufbahn beim Militär und stieg zum österreichischen Feldmarschall auf. Er kämpfte gegen Napoleon und vertrat für kurze Zeit den Kaiser in Deutschland.

Die Steiermark war seine Traumregion

Erfolge fuhr Johann bei jeder Aufgabe ein, die ihm seine Dynastie übertrug, aber seine wahre Berufung war immer die Steiermark: Alle Modernisierungsmaßnahmen und Initiativen, die er setzte, entsprangen einer tiefen Liebe zu Land und Leuten. Über 50 Jahre lang wirkte der „steirische“ Erzherzog in seiner Traumregion.

Den Beginn seines Engagements für die Steiermark machten Erzherzogs Johanns statistische Landesaufnahmen. Er ließ die Steiermark exakt vermessen und kartografische Aufnahmen anfertigen. Dann beauftragte er Beamte, Land und Leute zu erforschen, Brauchtümer niederzuschreiben, die Bewohner zu ihrer Heimat zu befragen, Wissenswertes aufzuschreiben. Johann stellte auf diese Weise sicher, dass Erzählenswertes zur Geschichte und gelebten Tradition der Steiermark bewahrt wurde. Anschließend schickte er Maler in alle Regionen, um Landschaft, Berge, Flora, Trachten und Lebenswelten festzuhalten. Diese Quellen bilden den Grundstock des Universalmuseums Joanneum in Graz – Österreichs ältestes Museum, 1811 von Erzherzog Johann gestiftet.

Soziale Reformen und „Gamechanger“ Eisenbahn

Erzherzog Johann wollte aber nicht nur Schönheit und Brauchtum der Steiermark dokumentieren, sondern seinem Herzensland sowohl wirtschaftlich und technologisch, aber auch durch soziale Reformen auf die Sprünge helfen. Er erkannte, dass es in Zeiten der heraufziehenden Industrialisierung Innovation und Forschung brauchte, um nicht abgehängt zu werden, blendete aber auch die immer drängender werdende „soziale Frage“ nicht aus, stummer Begleiter der industriellen Transformation.

Johanns Gründung der „Berg- und Hüttenmännischen Lehranstalt“ war der Vorgänger der heutigen Montanuniversität. Sein „Verein zur Unterstützung der Industrie und des Gewerbes Innerösterreichs“ war unverzichtbarer Unterstützer der regionalen Wirtschaft. Und die „Landwirtschaftliche Gesellschaft“ vermittelte nicht nur neueste agrarwissenschaftliche Erkenntnisse, sondern wurde zum Vorläufer der Landwirtschaftskammer.

Johann erkannte außerdem die künftigen Möglichkeiten, die sich der Steiermark durch den „Gamechanger“ Eisenbahn boten, deren Streckennetz in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts rasant wuchs. Es war seiner Intervention zu verdanken, dass die neue Südbahnstrecke durch die Steiermark lief und nicht durch Westungarn.

Erzherzog Johann starb 1859 in Graz.  (Bild: akg-images / picturedesk.com)
Erzherzog Johann starb 1859 in Graz. 

Der Kaisersohn wurde zum Bürgermeister gewählt

All diese Initiativen, Reformen und der große Gestaltungswille Erzherzog Johanns zeigen sich exemplarisch bei Schloss Stainz, jener ehemaligen Herrschaft, die er 1840 erwarb. Hier setzte Johann die von ihm angeregten landwirtschaftlichen Projekte um. Die Stellung, die er bei den Steirern einnahm, zeigte sich deutlich, als nach der Grundentlastung von 1848 und der damit verbundenen neuen Selbstverwaltung der Gemeinden in der Monarchie erstmals Bürgermeister gewählt wurden. Die Bürger wählten den Erzherzog – ohne, dass er sich um das Amt beworben hätte – zum Bürgermeister von Stainz. Johann ist damit der einzige Habsburger, der während der Kaiserzeit je demokratisch gewählt wurde.

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