Neue Bühnenfigur:

Tom Neuwirth liebt „die große Geste und das Drama“

Tom Neuwirth startet mit dem Duo-Programm Frau Thomas und Herr Martin neu durch

(Bild: Lukas Feix)

Die vielen Gesichter des Tom Neuwirth (35): Als Conchita gewann er den Songcontest. Als Frau Thomas kommt er nun mit neuen Liedern heim in die Steiermark. Die „Krone“ hat ihn zum Interview getroffen.

KRONE: Wie soll ich dich ansprechen? Tom, Frau Thomas oder Conchita?
Tom Neuwirth: Mir ist es wurscht. Sag einfach Tom. Ohne Schminke und Perücke bin ich immer der Tom. Früher war ich damit viel strenger, aber das hat sich gelegt. Mit den Worten meiner Oma zu sprechen: Man sucht es sich immer selbst aus, worüber man sich aufregt.

Du zeigst dich bei jedem Auftritt im neuen Look – ist das Lust oder Kalkül?
Es ist viel mehr Lust, weil ich Mode liebe und ich mich stets neu erfinden möchte. Es ist Entertainment auf allen Ebenen mit einem Schuss Kalkül. Denn wenn ich einmal einen Ton schief singe, hat das Publikum wenigstens etwas zum Anschauen.

Du bist gerade als Frau Thomas mit Herrn Martin auf der Bühne. Ist das eine reine Bühnenpaarung?
Es ist eine sehr innige Freundschaft, die bei Starmania 2006 begonnen hat. Wir sind vor kurzem zusammengezogen und leben wie Schwestern im Geiste zusammen, wir lieben uns auf einer freundschaftlichen Ebene. Martin Zerza (34), hat Gesangspädagogik studiert und arrangiert alle Songs. Er ist auch der Dirigent der Band, brilliert mit Autorität und erlernten Fachkenntnissen, die ich nicht habe. Das heißt auch, dass, ich mir von ihm vieles sagen lassen muss, weil ich es nicht kann. Wir ergänzen uns gut, denn in meiner Flatterhaftigkeit, Freiheit und Unverbindlichkeit ist es gut, jemanden zu haben, der strukturiert und kreativ arbeitet und das Flugzeug auf sicheren Boden bringt.

„Sag einfach Tom zu mir“: Als Conchita hat Neuwirth den Songcontest gewonnen, nun tourt er als Frau Thomas.

(Bild: (c) Rudi Gigler)

Ist es für dich schwer, neuen Menschen zu vertrauen?
Ich habe schon seit längerer Zeit den gleichen Freundeskreis, dem ich blind vertraue. Die kennen mich aus der Zeit, als ich noch nichts war. Neue Leute kennenzulernen ist jedoch anders als früher. Aber mit dem Alter merkt man schneller, wer zu dir passt oder nicht.

Gibt es für dich enttäuschende Momente?
Ich glaube an das Gute im Menschen. Wenn Ungerechtigkeiten passieren, rege ich mich auf und bin gekränkt. Aber irgendwann verstehe ich auch, dass wir alle nur das Beste geben. Den Unterschied macht es jedoch aus, dass wir alle dazulernen, uns zuhören und das Ego zurückstecken und zusammenwachsen. Ich glaube an die Wirkung von Freundlichkeit und auf eine Kettenreaktion positiver Begegnungen. Wenn man einer Person etwas Gutes tut, hat sie einen besseren Tag und ist dann lieb zum Nächsten.

Von dir gibt es sechs neue Songs, die nur auf digitalen Plattformen verfügbar sind. Warum nicht als Album?
Gute Frage. Mir kommt vor, dass ich meinen musikalischen Switch Port noch nicht gefunden habe. Ich habe in meiner bisherigen Karriere vieles gesungen, von Pop bis orchestrale Bond-Hymen. Den eigenen Sound habe ich jedoch noch nicht gefunden, aber je mehr ich mache, desto näher komme ich dem. Ich lasse mich treiben und das hat bisher gut funktioniert.

Ich vermisse dich in den großen TV-Shows. Gibt es keine Einladungen für dich?
Es hat lange Zeit keine Interviews gegeben, weil ich zuvor zu viele gegeben habe und ich das Gefühl hatte, alles gesagt zu haben. Oft bin ich auch nur als queerer Aufputz in die Shows eingeladen worden, um meine Sicht zu allgemeinen Themen zu besprechen. Das wollte ich nicht mehr. Zu meinem neuen Projekt gibt es wieder etwas zu erzählen und ich möchte die Leute an meiner Freude teilhaben lassen.

(Bild: Lukas Feix)

In der Musik-Revue von Frau Thomas & Herr Martin gibt es die großen Chansons und Schlager von Piaf, Mathieu oder Knef. Warum?
Ich habe mich immer zu singenden Frauen hingezogen gefühlt, weil ihre Stimmen interessanter, emotionaler und auch für mich inspirierender sind. Darin liegt Dunkelheit, Glamour und Mystik. Ich liebe große Gesten und das Drama. Beim Zusammenstellen des Programms habe ich mich und Martin an die frühkindliche musikalische Erziehung erinnert und das war bei mir Radio Steiermark. Der Schlager der 1950er Jahre wurde damals im Gasthaus rauf und runter gespielt. Somit ist es schon ein Ausprobieren und das Wiederentdecken, was so früh in uns installiert wurde.

Der Sieg beim ESC 2014 ist zur Dauerpräsenz in deinem Leben geworden – ist das für dich mehr Fluch oder Segen?
Natürlich ein Segen, auch wenn alles mehrere Seiten hat. Der ESC-Sieg hat mir alle Türen geöffnet und ich würde ohne ESC wahrscheinlich nicht mehr dasitzen, um über die neue Show zu plaudern.

Udo Jürgens ist 10 Jahre nach seinem Tod wieder Nr. 1 in den Charts – wie unsterblich wird deine Conchita Wurst sein?
(Lacht.) Ich möchte schon etwas hinterlassen, vielleicht habe ich das eh schon erledigt. Ohne vermessen zu sein, habe ich das Gefühl, dass man sich an mich immer erinnern wird. Ich hatte das Glück und Privileg in einer Zeit zu sein, wo sich vieles in sozialpolitischer Sicht getan hat. Die queere Community ist sichtbarer geworden, wo ich im Epizentrum des Geschehens sein durfte. Das sehe ich als großes Geschenk.