Mit seinen Aussagen zum hausgemachten Ärztemangel in Niederösterreich handelte sich SPÖ-Chef Sven Hergovich bereits eine Klage der Landesgesundheitsagentur ein. Nun feilt der selbst ernannte Kontrolllandesrat offenbar an der nächsten. Es geht ums liebe Geld.
Ungewöhnlich für Sven Hergovich begann der niederösterreichische SPÖ-Chef seine jüngsten Ausführungen über die „Missstände im Gesundheitssystem“ mit einem herzlichen Dankeschön ans Management der Landesgesundheitsagentur (LGA). Diese hatte ihn wegen seiner öffentlichen Kritik geklagt – seither wüssten die unzufriedenen Mitarbeiter, an wen sie sich mit ihren Anliegen wenden können, so Hergovich.
Seither steht die SPÖ in Kontakt mit mehreren Whistleblowern, die der Partei interne Informationen zustecken. Erste vertrauliche Inhalte machte Hergovich am Montag nun öffentlich. Und er packt die Verantwortlichen der LGA dort, wo es wehtut: nämlich beim Gehalt. „Rund 200 Verwaltungsmitarbeiter in der St. Pöltner Zentrale verdienen so viel oder sogar mehr als ein Assistenzarzt“, stellt Hergovich eine Frage, die auch dem medizinischen Personal im Land unter den Nägeln brennt: „Wofür eigentlich?“ Denn die Spitäler würden sich eigentlich weitgehend autonom verwalten.
„Mehr Häuptlinge als Indianer“
Schon 2021 habe der Rechnungshof massive Mängel beim effizienten Einsatz von Steuergeld festgestellt. 1,4 Prozent des Budgets seien damals in der Verwaltung hängen geblieben – ein Wert, der sich laut dem SPÖ-Boss mittlerweile aus 2,1 Prozent erhöht haben soll. Mehr noch: 78 Bedienstete hätte laut der internen Quelle eine Führungsfunktion. Bei rund 380 Mitarbeitern gesamt. Hergovich fasst das launisch zusammen: „Wir haben bald mehr Häuptlinge als Indianer!“
Lange Wartezeiten auf OP-Termine
Das will die „Rothaut“ Hergovich natürlich ändern: Mit einer Zerschlagung der LGA und einer Rückkehr zum alten Verwaltungssystem. Zwar sei schon die Klinikenholding nicht gerade für eine schlanke Verwaltung bekannt gewesen, doch: „Das neue System kostet uns mindestens 30 Millionen Euro im Jahr mehr!“ Geld, das man lieber in die Behandlungen vor Ort stecken sollte. Denn seitdem die LGA die Agenden führt, sei es keineswegs besser geworden. Hergovich: „Die Wartezeiten auf Operationen oder MRT-Termine werden immer länger, der Personalmangel bei Ärzten und Pflegern immer akuter.“
Einen Wert, an dem der SPÖ-Chef die prekäre Lage fest macht, ist der sogenannte Selbstversorgungswert. Wie auch immer man diesen definieren mag, Niederösterreich liegt hier auf dem vorletzten Platz – doch das „Schlusslicht“ Burgenland baut gerade zwei neue Spitäler, während Niederösterreich nach und nach Stationen schließt.
Luxus-Gagen für die Verwaltung
Doch zurück zum lieben Geld: Laut Hergovichs Informant liegt das Durchschnittseinkommen der LGA-Mitarbeiter in der Zentrale jenseits der 100.000-Euro-Grenze. Jene 78 „Häuptlinge“ verdienen im Schnitt mehr als 140.000 Euro im Jahr – und somit deutlich mehr als ein Assistenzarzt in einer der Landeskliniken. Er bereitet nun eine Anfrage im Landtag vor: „Wir wollen wissen, wie die Mitarbeiter ihre viele Tagesfreizeit füllen.“
Wenn wir die Landesgesundheitsagentur zerschlagen, würden wir sofort 30 Millionen Euro im Jahr an Verwaltungskosten sparen.
Sven Hergovich, SPÖ-Obmann in Niederösterreich
Bild: Krone KREATIV/Attila Molnar, Daniel Schalhas, zVg
Eine Vermutung hat der SPÖ-Chef schon: Denn Spitalsmitarbeiter kritisieren eine deutliche Zunahme der Bürokratie. „Die Ärzte und Pfleger sollen sich um die Patienten kümmern und nicht sinnlose Check-Listen für die Verwaltung ausfüllen“, so Hergovich. Es sei kein Wunder, wenn vor allem viele Ärzte lieber in anderen Bundesländern anheuern würden: „In Wien, Oberösterreich, dem Burgenland und der Steiermark werden höhere Gehälter gezahlt.“
Keine Angst vor weiteren Klagen
Dass sich Hergovich mit seinen Aussagen erneut ins juristische Visier der LGA begibt, nimmt er gerne hin: „Ich lasse mich nicht einschüchtern. Die letzte Klage hatte sogar den gegenteiligen Effekt. Wir werden weiterhin ganz genau hinschauen, wie es unter Schwarz-Blau mit unserem Gesundheitssystem weitergeht.“
Wie die Gesundheitsagentur reagiert
Nach der SPÖ-Breitseite meldete sich erwartungsgemäß auch die LGA zu Wort: „Zunächst ist festzuhalten, dass die LGA im Jahr 2020 auch mit den Stimmen der SPÖ gegründet wurde“, heißt es in einem schriftlichen Statement. Die Gesundheitsagentur zähle zudem zu einer der bestgeprüften Institutionen in Österreich. Um also an betriebsinterne Informationen zu kommen, bedürfe es eigentlich keines Whistleblowers. Ferner: „Was die Gehaltsstruktur betrifft, sei darauf verwiesen, dass die LGA keine eigene Gehaltsstruktur hat, sondern sich am Landesschema orientiert.“
Der getätigte Gehaltsvergleich sei demnach auch „ein Vergleich von Äpfeln und Birnen“, denn einen in Ausbildung befindlichen Mediziner mit fertig ausgebildetem Personal zu vergleichen, sei „unzulässig und durchsichtig“, heißt es weiter.
Die angesprochenen Strukturanpassungen in Kliniken erfolgen nicht aus budgetären Erwägungen, sondern aufgrund sich verändernder Rahmenbedingungen. Das bestätigt auch Alexander Braun, Professor für Gesundheitsmanagement im IMC Krems: Dass zuletzt Spitalsabteilungen aufgelöst oder zusammengelegt wurden, führt er weniger auf Einsparungen als vor allem auf fehlendes Personal zurück: „Ein Drittel der Ärztinnen und Ärzte gehen in den nächsten zehn Jahren in Pension und das gleiche Problem haben wir bei den Pflegekräften.“ Es werde sehr wahrscheinlich notwendig werden, „Leistungsbündelungen“ durchzuführen, so Braun. 24 Stunden pro Tag, sieben Tage die Woche werde man künftig aufgrund des Fachkräftemangels nicht mehr alle medizinischen Leistungen anbieten können. Dabei gehe es nicht um die Grundlagenversorgung, sondern um spezielle medizinische Schwerpunkte. Die Frage sei, „benötigt man bestimmte medizinische Leistungen in sieben Krankenhäusern oder kann man es in einem fokussieren“, so Braun.
Mehr noch: „Oberstes Ziel der LGA ist die bestmögliche Versorgung für Patienten im Zusammenspiel aller Mitarbeiter – an den Standorten und auch in der Zentrale.“ Daher seien sowohl hochqualifizierte und erfahrene Mitarbeiter erforderlich, als auch Personen in Ausbildung. Je nach Qualifikation, Erfahrung und der Notwendigkeit an Ausbildung erfolge auch die Bezahlung.
Aktuell läuft außerdem eine Evaluierung des Zusammenspiels der LGA-Zentrale mit den Gesundheitseinrichtungen. Erste Ergebnisse sollen bei der Präsentation des Gesundheitspaktes vorliegen. Derzeit arbeiten mehr als 50 Experten am sogenannten Gesundheitspakt – wo laut LGA ebenfalls SPÖ-VertreterInnen eingebunden sind. Eine Sprecherin: „Durch diesen werden die medizinische Versorgung in Niederösterreich zukunftsfit gemacht und gleichzeitig unsere hohen Qualitätsstandards gehalten.“
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