Im November vor 60 Jahren ließ die sogenannte „Fußachaffäre“ in Vorarlberg die Wogen hochgehen. In der Rezeption der damaligen Ereignisse scheiden sich heute noch die Geister.
Im Grunde ging es um eine Lappalie: Das Staatsunternehmen ÖBB hatte ein neues Schiff für den Bodensee bauen lassen – und im Übrigen auch bezahlt. Und so ein stolzes Schiff will bekanntlich getauft werden – und genau da spießte es sich: Denn während das Land für den Namen „Vorarlberg“ plädierte, hatte der zuständige Bundesverkehrsminister Otto Probst (SPÖ) anderes im Sinn: Er entschloss sich nämlich dazu, das Boot einem großen Sozialdemokraten zu Ehren auf „Karl Renner“ zu taufen. Dass er den vermeintlichen Willen der Vorarlberger stur ignorierte, kam im Ländle alles andere als gut an. Angefeuert von einer Kampagne der „Vorarlberger Nachrichten“ machten Politiker, Beamte und Teile der Bevölkerung gegen diesen „Willkürakt“ mobil. Am 21. November, dem Tag der Schiffstaufe, eskalierte die Lage: Im Vorfeld hatten die „VN“ die Menschen regelrecht aufgehetzt, am Tag des Festaktes war auf der Titelseite zu lesen: „Minister Probst brüskiert und provoziert damit ganz Vorarlberg. Die ’Vorarlberger Nachrichten’ als die größte Zeitung des Landes rufen deshalb heute die Bevölkerung zu einer Demonstration anlässlich des Taufaktes um 11 Uhr in Fußach auf.“
Rund 20.000 Menschen folgten diesem Aufruf. Friedlich war der Protest nicht, die Ehrengäste aus Wien wurden teils mit Eiern, Tomaten und faulem Obst beworfen. Probst verzichtete aufgrund der aufgeheizten Stimmung darauf, nach Fußach zu reisen, in weiterer Folge wurde die Taufe abgesagt.
Der Ausgang der Geschichte ist bekannt: Am Ende musste Probst das Schiff in der Korneuburger Werft auf den Namen „Vorarlberg“ taufen. Ein gegen die Verantwortlichen der „Vorarlberger Nachrichten“ angestrengtes Verfahren wegen Aufwiegelung wurde ein knappes Jahr später eingestellt. In der Rezeption der „Fußachaffäre“ scheiden sich noch heute die Geister. Während die einen die Causa zu einem Monument der Vorarlberger Identität hochstilisieren, haben die anderen einen nüchterneren Blick auf die Ereignisse. Denn im Grunde war die Fußachaffäre vor allem eines: ein Lehrstück darüber, wie mit Ressentiments Politik gemacht werden kann.
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