Religiös motivierte Körperverletzung, islamistisches Propagandamaterial und Küchenmesser unter der Matratze, mutmaßliches Training für einen Sprengstoffanschlag – in der Weststeiermark hat der Staatsschutz einen 18-Jährigen mit hochgefährlicher Entwicklung aus dem Verkehr gezogen.
Der junge Mann, ein vorbestrafter Wiener aus schwierigen Verhältnissen, war seit zwei Jahren in der Steiermark untergebracht. Dort sollte er nach einer sechsmonatigen unbedingten Haftstrafe fünf Jahre lang in einer Unterkunft resozialisiert werden. Zunächst verlief der Prozess ohne besondere Auffälligkeiten, doch Ende 2023 habe sein Umfeld „eine Wesensveränderung“ bemerkt, heißt es am Freitag von der Polizei. Der 18-Jährige habe sich aktiv dem Islam zugewandt „und sehr stark in Richtung Islamismus radikalisiert“.
Übungen mit Sprengstoff-Attrappe?
Das schlug sich auf sein Äußeres und sein Verhalten nieder. Er habe sich einen Bart wachsen lassen und die Oberlippe rasiert, anderen Menschen habe er „klipp und klar seine Meinung und seinen Glauben aufgedrängt“, berichtet Polizeisprecher Heimo Kohlbacher. Im Sommer nahm der laut Polizei zuvor unsportliche Jugendliche darüber hinaus ein dubioses „Training“ auf: Er schnallte sich demonstrativ einen mit Wasserflaschen bestückten Brustgurt um den Oberkörper und ging damit laufen – Vergleiche mit von Terroristen genutzten Sprengstoffgürteln liegen auf der Hand.
Endgültig die Alarmglocken schrillen ließ der 18-Jährige durch zwei Vorfälle im August bzw. Anfang September: Zunächst soll er eine „religiös motivierte Körperverletzung“ an einem ebenfalls in der Unterkunft aufhältigen jungen Muslim begangen haben. Der Verdächtige sei der Ansicht gewesen, dass sein Opfer „nicht dem islamischen Glauben entspreche“, so die Ermittler. Kurz darauf erkundigte er sich bei einem ehemaligen Mitbewohner nach einer Pistole.
Küchenmesser unter der Matratze
Für die Staatsschützer war spätestens zu diesem Zeitpunkt Feuer am Dach, es musste schnell gehen: Anfang September ordnete die Staatsanwaltschaft Graz die Festnahme und eine Hausdurchsuchung in der Unterkunft in der Weststeiermark an, wie erst jetzt bekannt wurde. Der junge Mann habe keinen Widerstand geleistet.
In den Räumlichkeiten wurde man schnell fündig: Die Beamten des Landesamts für Staatsschutz und Extremismusbekämpfung (LSE) stellten gemeinsam mit dem Einsatzkommando Cobra ein Küchenmesser mit einer Klingenlänge von 20 Zentimetern sicher. Der 18-Jährige hatte dieses unter seiner Matratze versteckt. Weiters wurden auf seinem Handy große Mengen an radikalem Propagandamaterial „in Richtung Salafismus“ gefunden. Dieses habe auch Enthauptungsvideos umfasst.
Beide Eltern im Drogenmilieu
Polizeisprecher Kohlbacher berichtet über ein äußerst schwieriges Aufwachsen des Jugendlichen in Wien: Beide Elternteile – der Vater afghanischer Staatsbürger, die Mutter eine junge Österreicherin – stammen aus dem Suchtgiftmilieu, der Bub, der schon im Kindesalter straffällig wurde, wuchs eine Zeit lang bei den Großeltern auf. Mit zwölf Jahren sei er dann zur mit der Situation überforderten alleinerziehenden Mutter zurückgekehrt und habe die Schule abgebrochen, die auch später nicht abschließen sollte.
Mit 13 kam er „als Straßenkind“ mit der Drogenszene in Kontakt, mit 14 wurde er selbst Opfer eines Überfalls und dadurch schwer traumatisiert. Ab diesem Zeitpunkt sei er stets mit einem Messer bewaffnet auf die Straße gegangen. Dieses habe er bei einer Auseinandersetzung einem anderen Jugendlichen in den Rücken gerammt. Wegen diesem und ähnlicher Vorfälle habe das Gericht eine Resozialisierung angeordnet.
„Der Bursche war nicht ohne“
Seit Oktober sitzt der Wiener in der Justizanstalt Graz-Jakomini in Untersuchungshaft. Die Ermittlungen führt das LSE im Auftrag der Staatsanwaltschaft. Im Raum steht der Verdacht auf versuchte terroristische Straftaten, Körperverletzung sowie der Versuch, an eine verbotene Waffe zu gelangen. Auch wenn es vorläufig keine Hinweise auf konkrete Anschlagspläne oder die Mitgliedschaft in einem terroristischen Netzwerk gibt: „Der Bursche war nicht ohne“, sagt Kohlbacher.
Es ist der zweite schockierende Fall eines radikalisierten Jugendlichen in der Steiermark innerhalb kurzer Zeit: Erst Ende Oktober war eine 14-Jährige wegen Anschlagsplänen am Jakominiplatz – nicht rechtskräftig – zu zwei Jahren unbedingter Haft verurteilt.
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