Nazi-Prozess in Wels

„L‘amour toujours“-Gesang: Strafe für 25-Jährigen

Oberösterreich
13.11.2024 13:37

Drei junge Angeklagte mussten sich am Mittwoch in Wels vor Schöffen verantworten, weil sie das Lied „L‘amour toujours“ mit einem ausländerfeindlichen Text gesungen, dazu Hitlergrüße gemacht und „Heil Hitler“, „Sieg Heil“ gerufen. Die 16-Jährige wurde freigesprochen, der 19-Jährige bekam eine Diversion. Nur der 25-Jährige wurde zu einer Zusatzfreiheitsstrafe verurteilt.

Bad Ischl am 3. Juli 2024 um kurz vor vier Uhr nachts vor einem bekannten Ausgehlokal. Zwei junge Männer stehen beisammen, unweit davon auch eine Jugendliche. Plötzlich ertönt ein altbekanntes Lied: „L‘amour toujours“ vom italienischen Musiker Gigi D‘Agostino. Nicht vertraut, sondern höchst befremdlich hingegen der Text und das Verhalten der kleinen Sängergruppe.

Rechtsextreme Parolen
„Ausländer raus“, „Heil Hitler“ und „Sieg Heil“ hätten auf jeden Fall zwei junge Männer, vielleicht auch eine 16-Jährige lautstark getönt, dazu sei man ausgelassen, wie bei einer Fußballfeier im Kreis herumgehüpft und habe den Hitlergruß gezeigt. 

Junge Frauen zeigten Mut
Zwei couragierte Zeuginnen, junge Frauen, hätten sich schließlich genähert und die Gruppe zur Rede gestellt. Die „Sänger“ hätten verharmlost: „Das ist doch nur Spaß!“ Die Jugendliche habe gemeint: „Wenn wir betrunken sind, kommt unsere rechtsextreme Seite hervor!“ 

Video mehr als nur hochnotpeinlich
Von der darauffolgenden Konversation gibt es ein Video. Das wurde ausschnittsweise auch im Prozess gezeigt – die drei Angeklagten senkten beschämt ihre hochroten Köpfe, hielten sich die Hände vors Gesicht. Dort beschwichtigen die 16- und der 19-Jährige. Der in Argentinien geborene Gruppenälteste (25) hingegen drückte voll auf die Tube: Sein Urgroßvater habe im Zweiten Weltkrieg 170 Menschen umgebracht. Gleich mehrmals betonte er, seine sechsjährige Schwester sei von zwei Syrern oder Afghanen vergewaltigt worden, was für die Täter keine Konsequenzen nach sich gezogen hätte.

Fremdschämen ohne Ende
Viel zu lange geht jenes Video, in dem der 25-Jährige immer wieder von jener „Vergewaltigung“ und dem, was er mit den beiden „Straftätern“ machen würde, spricht und obendrein unzählige zutiefst abstoßende Aussagen über Ausländer, den Nationalsozialismus und das Vergewaltigen von Kindern von sich gibt. Während die beiden jungen Frauen Verständnis für die erfundene Straftat zeigen und sich für Zusammenhalt und Gemeinsamkeit aussprechen, redet sich der merklich betrunkene 25-Jährige im Video immer weiter um Kopf und Kragen, versinkt im Gerichtssaal förmlich im Boden. Allgemeines Kopfschütteln, verstörte Blicke und Kopfschütteln bei Geschworenen und im Publikum wollen kaum aufhören.

Alles erfunden
„Das war alles kompletter Blödsinn, ich habe das erfunden, weil ich dachte, dann lassen sie uns in Ruhe! Ich habe gar keine Schwester“, so der 25-jährige in Argentinien geborene Österreicher. Auch sein Urgroßvater sei zwar im zweiten Weltkrieg gewesen, aber „er war Arzt und ein ganz lieber Mensch und sicher kein SS-Nazi!“ Zu den Vorwürfen bekannte er sich dennoch geständig, er wisse nicht, was ihn geritten habe. Die NS-Zeit sei eine der schlimmsten überhaupt gewesen und dürfe sich auf keinen Fall wiederholen.

Türkische Fans hätten provoziert
Ähnlich verantwortet sich auch der Zweitangeklagte (19): „Wir waren nach einem Fußball-Länderspiel fort und hatten viel zu viel getrunken.“ Zuvor hätten sie mit türkischen Fans geredet, die sie provoziert hätten. „Ich bekenne mich jedenfalls schuldig. Es war das absolut Beschissenste, das ich hätte sagen und tun können. Ich finde überhaupt nichts am Nationalsozialismus, der war in jeder Hinsicht schrecklich!“

Nur 16-Jährige stritt Vorwürfe ab
Die 16-jährige Erstangeklagte bekannte sich als Einzige nicht schuldig. Sie sei nach ihrer Arbeit als Kellnerlehrling mit Freundinnen ausgegangen, habe ihre Fortgeh-Bekanntschaften erst kurz davor getroffen und sich bei den Vorfällen von den jungen Männern distanziert. Die beiden Zeuginnen gaben jedoch an, sie sei sehr wohl in der hüpfenden und Hitlergruß-zeigenden Gruppe gewesen. Ob sie auch selbst den Arm entsprechend gehoben hätte, können sie nicht bestätigen.

Urteile schnell gefällt
Schlussendlich wurden die Urteile gefällt: Mangels Beweisen wurde die 16-Jährige freigesprochen, der 19-Jährige bekam eine diversionelle Einigung. Die beiden müssen aber einen gedenkpädagogischen Rundgang im KZ Mauthausen absolvieren und binnen sechs Monaten vor Gericht davon berichten. Nur der 25-Jährige wurde verurteilt: Er erhielt eine viermonatige bedingte Zusatzhaftstrafe – er war bereits im Sommer wegen Drogenbesitzes verurteilt worden. Alle Urteile sind rechtskräftig.

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