Auch in der Steiermark leben viele Menschen mit Behinderung zu Hause bei Eltern und Familie. Für die Angehörigen geht sich dann aber ein Urlaub oder eine Kur oft nicht aus. Ein neues Projekt von LebensGroß in Graz schafft nun Abhilfe – mit einem einzigartigen Angebot der Kurzzeitbegleitung. Oft ist dieser „Urlaub“ auch ein erster Schritt in die Selbstständigkeit.
„Es ist ein bisschen wie Urlaub für mich. Gestern war ich im Circus Roncalli, das war lustig“, erzählt Bastian Plischek. Eigentlich lebt der 39-Jährige bei seiner Mutter in St. Radegund und arbeitet in einer Werkstätte von Chance B. Doch aktuell ist eine schicke Wohnung im neuen Grazer Stadtteil Reininghaus seine Heimat. „Ich fühle mich hier sehr wohl“, sagt er.
Projekt zur Kurzzeitbegleitung
Seine Mutter ist gerade auf Kur, deshalb nutzt sie das Angebot der sogenannten Kurzzeitbegleitung von LebensGroß: „Bis zu 30 Tage im Jahr können Menschen mit Beeinträchtigungen, die eigentlich bei Angehörigen leben, hier betreut werden - zum Beispiel, während die Eltern auf Urlaub oder eben auf Kur sind“, erklärt Michaela Daum, die die Einrichtung, die es seit 2020 gibt, leitet. „Die Nachfrage ist groß, vor allem zu den klassischen Urlaubszeiten könnten wir viel mehr als die aktuell drei Plätze füllen.“
Für Eva Simon, die Mutter von Sebastian, ist das Angebot eine Erleichterung: „Ich betreue meinen Sohn seit 39 Jahren, sein Vater ist schon verstorben. Ohne Angebote wie dieses wäre es für mich völlig undenkbar, mir eine Auszeit zu nehmen.“ Doch für Simon steckt noch viel mehr dahinter: „Für meinen Sohn und mich ist das auch ein Versuch, wie es weitergehen könnte. Ich werde es ja nicht ewig schaffen, ihn zu betreuen.“
Auch Michaela Daum beobachtet: „Oft ist der Besuch bei uns ein Test für Menschen mit Behinderung und ihre Angehörigen, wie es sich anfühlen könnte, daheim auszuziehen und ein selbständigeres Leben zu führen.“ Manche ihrer einstigen Gäste sind mittlerweile zu Hause ausgezogen und leben nun in einem Wohnheim für Menschen mit Behinderung.
„Angehörige tun sich schwer, ihre Kinder loszulassen“
Doch ganz so leicht ist das gar nicht, wie Eva Simon berichten kann: „Viele Angehörige, vor allem Eltern, tun sich schwer, ihre Kinder loszulassen. Ich habe meinen Sohn sehr selbständig erzogen, aber natürlich mache auch ich mir Sorgen, wenn ich mal nicht für ihn da sein kann.“
Und auch wenn man bereit ist, sein behindertes Kind ziehen zu lassen, gibt es noch Probleme: „Es ist gar nicht so einfach, einen passenden Platz zu finden. Manche Freunde meines Sohnes warten schon seit acht Jahren – da muss sich auch seitens der Politik was tun“, sagt sie.
Bis Bastian Plischek zu Hause auszieht, könnte es also noch dauern. Aber „Urlaube“ wie jener in Graz sind auch eine Möglichkeit, diese Selbständigkeit zu testen und neue Freunde zu finden. „Dieses Mal hatte ich einen sehr netten Rollifahrer als Zimmernachbarn. Wir haben viel gelacht und viel Blödsinn gemacht. Als er weggefahren ist, musste er weinen, weil wir so viel Spaß hatten und er bleiben wollte. Aber wir haben Telefonnummer getauscht und bleiben in Kontakt.“
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