In der besinnlichen Adventzeit schlummern nicht selten unbemerkte persönliche Krisen und Schicksalsschläge: Die etwa 685 Mitarbeiter der steirischen Kriseninterventionsteams sind zurzeit besonders gefragt. Dass ihr Engagement immer wichtiger wird, beweisen auch die Zahlen: 2024 dürfte ein Rekordhoch an Einsätzen erzielt werden.
Ein älterer Herr erleidet beim Familienessen einen Herzinfarkt. Die Rettung versucht, ihn zu reanimieren, doch ohne Erfolg. Er hinterlässt Frau, Kinder und Enkelkinder, die den plötzlichen Tod ihres Liebsten verarbeiten müssen. Genau in diesem Moment kommen die stillen Helden zum Einsatz: „Wir werden immer dann gerufen, wenn sich Personen in einer Krise befinden“, erklärt Bettina Galli-Magerl, fachliche Leiterin der Rotkreuz-Kriseninterventionsteams. Und das Einfühlvermögen der Ehrenamtlichen ist gefragter denn je – sei es bei Suiziden, tödlichen Unfällen oder Unwetterkatastrophen.
Die Zahlen sprechen für sich: 345-mal wurde das Team rund um Galli-Magerl bis Dezember dieses Jahres bereits alarmiert. Der Vorjahreswert ist damit bereits übertroffen – die Tendenz seit Jahren steigend. Selbes gilt für die zweite Kriseninstitution: Mit 371 Einsätzen im ersten Halbjahr könnte das Pendant des Landes Steiermark die 700er-Marke in 25 Jahren Geschichte erstmals übertreffen, erklärt Koordinationsstellen-Leiterin Cornelia Forster.
„Ich mache die Arbeit, damit Betroffene die Überforderung der ersten Stunden nicht alleine tragen müssen.“
Bettina Galli-Magerl, KIT Rotes Kreuz Steiermark
Bild: Rotes Kreuz Steiermark / Verena Koch
Die beiden Stellen werden großteils von Polizei und Rettung in Härtefällen hinzugezogen und haben vor allem eines gemein: „Unsere Arbeit ist großteils eine leise“, sagt Forstner. Allerdings werde ihr Berufsbild immer bekannter, betont Galli-Magerl. So schätzte man im vergangenen Unwettersommer die Unterstützung der Hunderten Ehrenamtlichen besonders.
Amokfahrt brannte sich ins Gedächtnis ein
Großeinsätze wie diese bleiben in Erinnerung. Bei Galli-Magerl ist es vor allem die Amokfahrt durch die Grazer Herrengasse, die sich ins Gedächtnis eingebrannt hat. „Damals waren wir sehr lange im Einsatz. Wir waren mit Todesfällen konfrontiert, dann versuchten wir, Familienmitglieder wieder zusammenzuführen, die sich verloren hatten“, erzählt die 37-Jährige.
Seitdem sie 2014 die Ausbildung absolvierte, ist sie der Kriseninterventionsarbeit treu geblieben, 2018 übernahm sie die Leitung. Nach wie vor ist Galli-Magerl in Abrufbereitschaft – aus derselben Motivation wie früher: „Damit Betroffene die Überforderung der ersten Stunden nach schweren Ereignissen nicht alleine tragen müssen“, sagt die klinische Psychologin.
„Unsere Arbeit ist zum Großteil eine leise. Die Einsatzzahlen steigen, auch weil mittlerweile die Alarmierung sehr gut funktioniert.“
Cornelia Forstner, KIT Land Steiermark
Bild: Land Steiermark
Vor allem aber gibt sie ihr Wissen an neue Ehrenamtliche weiter. Zweimal im Jahr wird die fünfmonatige Fortbildung samt Theorie am Wochenende und einer Art Praktikum beim Roten Kreuz angeboten. „Unsere Kurse sind immer sehr gut besetzt, aber es sind natürlich nie genug Ehrenamtliche – speziell im ländlichen Bereich.“ Es ist keine leichte Arbeit: „Schwierig ist es mitunter, wenn man sich nicht so gut abgrenzen kann, weil zum Beispiel das verstorbene Kind gleich alt ist, wie das eigene“, meint Galli-Magerl.
Aus diesem Grund fahren die Mitarbeiter auch immer zu zweit aus. Weil Krisen oft einen langen Rattenschwanz mit sich ziehen, bieten die Kriseninterventionsteams zudem auch psychologische Unterstützung für Sanitäter und Co. an. Und für die eigenen Einsatzkräfte gibt es die Möglichkeit der Supervision.
Kommentare
Willkommen in unserer Community! Eingehende Beiträge werden geprüft und anschließend veröffentlicht. Bitte achten Sie auf Einhaltung unserer Netiquette und AGB. Für ausführliche Diskussionen steht Ihnen ebenso das krone.at-Forum zur Verfügung. Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.
User-Beiträge geben nicht notwendigerweise die Meinung des Betreibers/der Redaktion bzw. von Krone Multimedia (KMM) wieder. In diesem Sinne distanziert sich die Redaktion/der Betreiber von den Inhalten in diesem Diskussionsforum. KMM behält sich insbesondere vor, gegen geltendes Recht verstoßende, den guten Sitten oder der Netiquette widersprechende bzw. dem Ansehen von KMM zuwiderlaufende Beiträge zu löschen, diesbezüglichen Schadenersatz gegenüber dem betreffenden User geltend zu machen, die Nutzer-Daten zu Zwecken der Rechtsverfolgung zu verwenden und strafrechtlich relevante Beiträge zur Anzeige zu bringen (siehe auch AGB). Hier können Sie das Community-Team via unserer Melde- und Abhilfestelle kontaktieren.