Gesundheitsexperten

Reformen notwendig: „Sonst macht‘s einen Klescher“

Steiermark
06.12.2024 11:54

Von den Vorständen der Kages über die Med-Uni-Rektorin bis zum ÖGK-Vorsitzenden und der Patientenanwältin: Eine hochkarätige Runde richtete sich am Freitag an die Öffentlichkeit – und vor allem an die künftige steirische Landesregierung. Reformen im Gesundheitsbereich müssten dringend vorangetrieben und die Macht der Regionalpolitiker beschnitten werden.

Ein junger Lungenkrebs-Patient, der für eine dringend notwendige Operation eine Voruntersuchung braucht – diese ist aber erst in acht Wochen möglich. Ein weiterer junger Krebspatient (Prostata), der drei Monate auf eine spezielle Untersuchung wartet. Brustkrebspatientinnen, die längere Zeit nicht bestrahlt werden können. Chirurgen, die sich in der Früh streiten müssen, wen man an diesem Tag operieren kann.

Es sind Geschichten „von der Front“ aus den vergangenen Tagen, die Erich Schaflinger an diesem Freitagmorgen berichtet. Der ärztliche Direktor des LKH Hochsteiermark steht an der Spitze des vor zwei Jahren eingerichteten, hochkarätigen Koordinationsgremiums, das Empfehlungen an die Landesregierung ausspricht – und auf umfassende Reformen gerade im Spitalsbereich drängt.

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Die Ärzte und Pflegekräfte sind nicht die Prügelknaben der Nation für politische Entscheidungen.

(Bild: zVg/Christian Jauschowetz)

Erich Schaflinger

Harte Kritik an Regionalpolitikern
„Die Bevölkerung tut sich schwer, diese Reformen mitzutragen“, so Schaflinger. Einen wesentlichen Anteil daran hätten die Regionalpolitiker. „Es kann nicht sein, dass sie das Gesundheitswesen der Steiermark bestimmen.“ Seine klare Forderung: „Die Landespolitik muss die Regionalpolitik in die Schranken weisen und den Verantwortlichen im Gesundheitswesen den Rücken freihalten!“ Die bisher eingeleiteten Reformen seien nämlich nur „ein Tropfen auf dem heißen Stein und erst der Beginn“. 

Mario Kunasek (FPÖ) und Christopher Drexler (ÖVP) beim Start der Koalitionsgespräche (Bild: Jauschowetz Christian)
Mario Kunasek (FPÖ) und Christopher Drexler (ÖVP) beim Start der Koalitionsgespräche

Der Zeitpunkt, den Schaflinger und seine Mitstreiter wählen, ist natürlich kein Zufall: Derzeit wird eine neue Landesregierung verhandelt, geführt von der FPÖ. Diese spricht sich nicht nur klar gegen das Leitspital in Liezen aus, sondern sieht auch andere Änderungen im Krankenhauswesen stets skeptisch. 

„Sonst macht es in einem Jahr einen Klescher“
Wird nun also bei der Strukturreform die Stopptaste gedrückt? Schaflinger: „Wenn nix passiert, macht es in einem Jahr einen Klescher. Die neue Landesregierung ist gut beraten, auf Experten zu hören.“ Man müsse, unter anderem wegen der anstehenden Pensionierungswelle, sofort mit den Veränderungen beginnen und nicht Monate und Jahre zuwarten.

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Es geht um die Gesamtversorgung der Steiermark, lokale Egoismen müssen in den Hintergrund treten.

Kages-Chef Gerhard Stark (Bild: Christian Jauschowetz)

Kages-Vorstandsvorsitzender Gerhard Stark

Beim Leitspital im Bezirk Liezen soll ja nach Wünschen der FPÖ ein „Plan B“, also der Ausbau von Rottenmann, geprüft werden. Es würde zumindest vier Jahre dauern, bis dort die Bauarbeiten starten könnten, meint Kages-Finanzvorstand Ulf Drabek. Bisher sind in das geplante Projekt in Stainach-Pürgg gut 13 Millionen Euro an Kosten für Planungen und Grundstückskäufe geflossen.

Als besonders wichtig hebt Drabek Investitionen am großen Grazer LKH-Uniklinikum und hier vor allem das neue Kinderzentrum hervor. Im Herbst gab es ja eine Grundsatzvereinbarung zwischen Land und Bund für das Ausbauprogramm ab 2028.

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Wir reden in Österreich lange über Themen, kommen aber nicht wirklich ins Handeln.

(Bild: Juergen Fuchs)

Med-Uni-Rektorin Andrea Kurz

Rektorin der Medizin-Uni „enttäuscht“
Alle Anwesenden sprachen sich am Freitag für eine Zentralisierung und Spezialisierung der Krankenhauslandschaft aus. „Das ist international der Trend, es ist die wesentliche Grundlage für die Zukunftsfähigkeit des Gesundheitssystems“, so Andrea Kurz, Rektorin der Med-Uni-Graz, die vor zehn Monaten aus den USA nach Österreich gekommen ist und „enttäuscht“ war von den „veralteten Prozessen und Strukturen“ bei uns.

Auch Kages-Vorstandsvorsitzender Gerhard Stark drängt auf weitere Maßnahmen: „Wir haben zu wenig Ärzte und gerade im ambulanten Bereich immer mehr Patienten, die Demografie schlägt voll zu.“ Durch die Maßnahmen der vergangenen Jahre habe man es geschafft, das Schiff halbwegs auf Kurs zu halten. „Zukunftsfit sind wir dennoch nicht.“

„Patienten sind teilweise verzweifelt“
Ein Plädoyer für zentrale Spitäler kommt auch von Patientenanwältin Michaela Wlattnig: „Das ist ein Gebot für eine sichere Patientenversorgung.“ Gerade die häufige Verschiebung von planbaren Operationen aufgrund des Personalmangels stelle eine hohe psychische Belastung für die Patienten dar. „Sie sind teilweise wirklich verzweifelt.“

Brisante Vorstöße unternimmt Josef Harb, steirischer Landesstellenausschussvorsitzender bei der ÖGK: „Es braucht eine verbindliche, gesteuerte Patientenstromlenkung.“ Viel zu viele Menschen würden gleich in den Spitalsbereich gehen und den niedergelassenen Bereich, insbesondere die Hausärzte, auslassen. „Die Versorgungspyramide wird so auf den Kopf gestellt.“

„Ich werde mich weiter lautstark zu Wort melden“
Nicht am Podium bei der Pressekonferenz, aber aus Solidarität anwesend waren andere Vertreter des Koordinationsgremiums, unter ihnen Ärztekammerpräsident Michael Sacherer, Wolfgang Köle (LKH-Uniklinikum Graz) und Othmar Grabner (Präsident der Primarärztevereinigung). Theoretisch könnte ein neuer Gesundheitslandesrat das Gremium auflösen. „Mein Vertrag läuft noch einige Jahre. Ich würde mich auch dann lautstark zu Wort melden“, sagt Schaflinger bestimmt.

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