„Gewinn für Europa“

EU peitscht umstrittenes Mercosur-Abkommen durch

Außenpolitik
06.12.2024 14:38

Trotz Bedenken aus Ländern wie Frankreich, Italien und Polen hat die EU-Kommission die Verhandlungen über eine umfangreiche Freihandelszone mit dem südamerikanischen Staatenbündnis Mercosur erfolgreich abgeschlossen. 

Man habe eine „politische Grundsatzeinigung“ erzielt. Das teilte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach einem finalen Treffen mit Spitzenvertretern der Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay in Uruguays Hauptstadt Montevideo Freitagmittag mit.

„Spiegelt Engagement für Klimaschutz wider“
Die Einigung sei „ein Gewinn für Europa“, bereits „30.000 kleine europäische Unternehmen würden schon exportieren“, schreibt sie auf X (vormals Twitter). „Viele mehr werden folgen“. „EU-Mercosur spiegelt unsere Werte und unser Engagement für den Klimaschutz wider“, so von der Leyen.

Über den Aufbau der Freihandelszonen war bereits im Sommer 2019 eine politische Grundsatzeinigung erzielt worden. Allerdings stellten die Regierungen mehrerer Staaten das Abkommen immer wieder infrage.

Kritik auch aus Österreich
Innerhalb der EU hatten sich zuletzt unter anderem Frankreich und Polen ablehnend geäußert, auch Österreichs Minister wird durch einen Beschluss von 2019 zumindest vorerst noch zur Ablehnung verpflichtet. Neben dem ÖVP-Bauernbund zeigten sich zuletzt und neuerlich die SPÖ, FPÖ, Grüne sowie die Landwirtschaftskammer kritisch, dazu gesellen sich auch mehrere Umweltschutz-NGOs.

Fakten
Was ist Mercosur?

Der Mercosur-Vertrag bildet die Grundlage für das Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Ländern des Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay, Uruguay und Venezuela, mit Bolivien als neuem Mitglied). Er umfasst mehrere Eckpunkte, die die Handelsbeziehungen und wirtschaftlichen Kooperationen regeln, darunter etwa:

  • Freihandel: Die EU wird den Mercosur-Staaten Zugang zu ihrem Markt für Agrarprodukte gewähren, während diese gleichzeitig Industriegüter aus der EU leichter importieren können.
  • Zollsenkungen: Das Abkommen zielt darauf ab, Zölle auf eine Vielzahl von Waren zu senken oder abzuschaffen. Dies betrifft sowohl industrielle Produkte als auch landwirtschaftliche Erzeugnisse.
  • Zugang zu Märkten: Das Abkommen erleichtert den Zugang zu den Märkten der beiden Regionen, sowohl für Produkte als auch für Dienstleistungen.
  • Das Abkommen umfasst Handelsregelungen für landwirtschaftliche Produkte, wobei einige landwirtschaftliche Produkte wie Fleisch, Zucker und Ethanol stark betroffen sind.
  • Wirtschaftliche Zusammenarbeit: Es wird eine verstärkte Zusammenarbeit in Bereichen wie Forschung, Technologie und Innovation angestrebt.
  • Nachhaltigkeit und Soziale Standards: Es gibt Vereinbarungen, die Mercosur-Staaten dazu verpflichten, international anerkannte Arbeits- und Umweltschutzstandards zu beachten.
Warum die Proteste?
Kritikpunkte an Mercosur
  • Umweltschutz und Nachhaltigkeit: Kritiker befürchten, dass das Abkommen Anreize für die Zerstörung von natürlichen Ressourcen schaffen könnte, da es die Landwirtschaft und den Export von Produkten wie Fleisch und Soja, die mit Umweltzerstörung in Verbindung stehen, begünstigt.

  • Landwirtschaftliche Subventionen: Einige EU-Staaten, besonders Frankreich, befürchten, dass das Abkommen den Wettbewerb auf den Agrarmärkten verschärfen könnte, insbesondere im Bereich der Landwirtschaft. Sie fürchten, dass Mercosur-Produkte, die oft ohne die gleichen Umweltschutzauflagen produziert werden, den europäischen Markt überschwemmen und die Preise für lokale Produkte drücken könnten.
  • Soziale und Arbeitsstandards: In vielen Mercosur-Ländern sind die Arbeitsrechte und sozialen Standards weniger streng als in der EU. Es gibt Bedenken, dass das Abkommen Arbeitsrechte gefährden könnte, indem es billigere Arbeitskräfte ausbeutet und die Arbeitsbedingungen verschlechtert.
  • Wirtschaftliche Ungleichgewichte: Kritiker argumentieren, dass das Abkommen den Mercosur-Staaten nicht unbedingt zugutekommt. Es könnte dazu führen, dass europäische Unternehmen die Märkte in Südamerika dominieren und lokale Unternehmen in den Mercosur-Ländern verdrängt werden.
  • Fehlende Durchsetzung von Vereinbarungen: Kritiker befürchten, dass die Verpflichtungen der Mercosur-Staaten zur Einhaltung von Umwelt- und Arbeitsrechten nicht effektiv überwacht und durchgesetzt werden können.

Dass dieses Abkommen trotz Protesten getroffen wird, hat sich in den letzten Tagen immer deutlicher abgezeichnet. Bevor es aber in Kraft treten kann, müssen alle Mitgliedstaaten im Rat der Europäischen Union zustimmen. 

Allerdings will von der Leyen mit einem Verfahrenskniff, die eigentlich bestehende Vetomöglichkeit aushebeln. Ob dies rechtlich möglich ist, ist derzeit ebenso offen, wie der genaue Inhalt des Handelsdeals.

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