Die Situation bei den Regierungsverhandlungen spitzt sich zu. Seit Montag steht fest, wie hoch der Konsolidierungsbedarf für die kommende Bundesregierung ist. Gemäß von der EU-Kommission übermittelten Daten muss Österreich zwischen 18 und 24 Milliarden Euro einsparen. Über den Weg dort sind sich ÖVP, SPÖ und NEOS allerdings völlig uneinig.
Alle drei Parteien wollen einen anderen Pfad einschlagen. Die Zahlen im Detail: Für den vierjährigen Referenzpfad ohne EU-Defizitverfahren besteht ein Gesamtkonsolidierungsbedarf von 24,1 Milliarden Euro, wobei jährlich rund sechs Milliarden gespart werden müssten. Beim siebenjährigen Referenzpfad liegt der Konsolidierungsbedarf bis zum Ende der Laufzeit bei 18,1 Milliarden. Im Falle eines Defizitverfahrens könnte ebenfalls zwischen einem vier- oder einem siebenjährigen Referenzpfad gewählt werden. Der vierjährige Pfad sieht Einsparungen von 14,8 Mrd. bis 2028 und der siebenjährige 18,4 Mrd. bis 2031 vor.
Die Sozialdemokraten wollen Defizitverfahren
Die SPÖ bevorzugt bekanntlich ein Defizitverfahren, weil es ausgabenseitig (noch) mehr Spielraum bieten soll. Am Montagnachmittag tagten die roten Gremien, um die Ergebnisse aus den Untergruppen zu besprechen und weitere Weichen in Sachen Regierungsverhandlungen zu stellen. Das Ergebnis: Man will auf den eigenen Positionen beharren und ÖVP wie NEOS heute zum Einlenken bewegen.
Sieben-Jahres-Pfad bevorzugt
Die Verhandler der Volkspartei wollten sich offiziell noch nicht zu den neuen Zahlen äußern. Wie der „Krone“ aber aus dem Kanzleramt bestätigt wird, wird der Sieben-Jahres-Pfad bevorzugt, weil damit weiterhin Spielräume für Investitionen gegeben sind. Aus organisatorischen Gründen wurde die ÖVP-interne Onlinebesprechung von Montagabend verschoben. Dienstagfrüh wird sich Bundeskanzler Karl Nehammer nun mit den Landesparteichefs und Bündeobleuten in einer Online-Sitzung besprechen. Um die Mittagszeit treffen sich dann die Steuerungsgruppen zur Marathon-Sitzung. Findet man dort eine gemeinsame Antwort auf die Budgetfrage, könnte womöglich schon am Dienstag weißer Rauch aus dem Palais Epstein für die Zuckerl-Koalition aufsteigen und eine grundsätzliche Einigung erzielt werden.
Pinke kritisieren fehlende Dynamik
Innerhalb der NEOS-Verhandlerkreise ist man nur vorsichtig optimistisch. Denn den Pinken fehlen „maßgebliche Parameter“ für erfolgreiche Koalitionsverhandlungen. „Es herrscht null Dynamik. In vielen, vor allem wesentlichen Clustern geht es nur darum, einen Minimalkompromiss zu finden. Wir wollen, dass das Budget nachhaltig saniert wird. Das Beispiel Griechenland zeigt eindrucksvoll vor, wie man in wenigen Jahren, wenn der Hebel umgelegt wird, man vom Defizit-Europameister zum Vorzeigeland avanciert und einen Überschuss erwirtschaften kann“, ist zu hören.
NEOS drängen auf echte Reformen
Das aus den Fugen geratene Budget wollen die NEOS nicht nur mit Maßnahmen, wie den Klimabonus zu streichen, sanieren. Eine gewisse Skepsis bringen die Pinken auch dem Plan entgegen, das Budget innerhalb von sieben Jahren zu konsolidieren. „Da braucht es saubere Berechnungen aus dem Finanzministerium: Was nicht passieren darf, ist, dass Österreich von den Ratingagenturen abgewertet wird. Dann steigen die Zinsen und es bleibt wieder kein Spielraum“, so ein namhafter NEOS-Verhandler.
Kleinster Partner macht großen Druck
Eine weitere maßgebliche Forderung der NEOS – auch im Föderalismus muss es Reformen geben. Deswegen sollen Vertreter der Landeshauptleute am Verhandlungstisch Platz nehmen. Ohne Länderchefs kann es beispielsweise in der Bildung nicht mehr als Schönheitskorrekturen geben. Ein dritter Punkt, wo es in den Verhandlungsgruppen noch keinerlei Land in Sicht ist, ist die Frage: Wie der Wirtschaftsmotor wieder flott gemacht werden soll? Nur in zwei Minimalpunkten – nämlich Bürokratieabbau und Verkürzung bei Genehmigungsverfahren, wurde ein Konsens erzielt. „Momentan ist noch zu wenig da, was den Namen Reformkoalition verdient“, heißt es aus der Partei. Man wolle weiter Druck machen.
Fiskalrat für Aufbrechen von alten Mustern
Der Fiskalrat rät der Politik dringend zu einer Budgetkonsolidierung ohne Tabus, ein Maßnahmenbündel, das sich sowohl auf die Ausgaben- als auch die Einnahmenseite beziehe. Eine einseitige Konsolidierung nur mit Einsparungen sei „unrealistisch“, so Fiskalratschef Christoph Badelt. Notwendig sei eine grundlegende Gesprächs- und Kompromissbereitschaft bzw. ein Aufbrechen traditionell festgefahrener Denkansätze, wurde bei einer Pressekonferenz betont. Rücksicht nehmen müsse man auf makroökonomische Rückkopplungseffekte, um eine weitere Verschärfung der bereits angespannten konjunkturellen Lage zu vermeiden.
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