Der Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts Gabriel Felbermayr sieht die aktuelle innenpolitische Situation durchaus kritisch. Etwa in den nun bereits monatelangen Verhandlungen um eine künftige Koalition aus ÖVP, SPÖ und NEOS: „Es müsste klare Ansagen geben, wie man vorangehen will. Einen Zukunftsplan, der nicht nur aus Sparen bestehen darf, sondern auch aus einer klaren Reformagenda, wie das Wirtschaftswachstum nach Österreich zurückgeholt werden kann.“
Offen bleibt, was der genaue Anlass für die aktuell betrübliche Wirtschaftssituation und das dramatische Budgetdefizit sei. Felbermayr: „Es sind 20 Milliarden Euro, die derzeit im Budget zwischen den Einnahmen und den Ausgaben klaffen. Zu Rutschen begonnen haben die Dinge so um 2016. In Deutschland sieht man das sehr deutlich, bei uns in Österreich auch. Im internationalen Vergleich sehen wir, dass wir seit 2016 an Terrain verlieren. Zunächst noch nicht so dramatisch, aber seit der Trippel-Krise Corona, Lieferketten und Inflation, hat sich das jetzt noch beschleunigt. Man kann sagen, vor rund 10 Jahren ist da irgendetwas im österreichischen System passiert. Ebenso in Deutschland.“
Mehr Stärke in neuen Bereichen
Besonders schwierig sei die Lage derzeit in der Industrie und in industrienahen Dienstleistungen. Felbermayr: „Die Industrie wird sich wieder ´derappeln´. Aber es gibt Gegenwind: Die Energiepreise sind hoch. Dass wir da auf das günstige Niveau der USA kommen, ist unwahrscheinlich. Auch bei den Löhnen haben wir einen Standortnachteil. Wir müssen uns aber auch andere Bereiche anschauen. Der Tourismus läuft gut, aber das ist auch nicht unbedingt sein Sektor, auf dem man die gesamte Zukunft bauen kann. Wir müssen sehr viel stärker in den Feldern sein, die sich neu auftun. Das sind etwa grüne Technologien. Da sind wir in Österreich sehr patentstark.“
Politik zu wenig mutig
Ein kleiner Warnschuss erfolgt vom WIFO-Chef in Richtung ÖVP. Felbermayr: „Wir tun uns einen Bärendienst, wenn wir nun wieder zurück in die Technologien des 20. Jahrhunderts gehen. Nach dem Motto ,Lasst uns wieder Verbrenner machen´. Die Verbrenner sind zwar gut, das hebt aber nicht die Aussichten auf die nächsten 20 Jahre. Wir müssten somit die neuen Technologien sehr viel mutiger angehen.“ Generell würde in Österreich auch seitens der Politik zu wenig mutig agiert. Zusammenfassendes Statement des WIFO-Chefs, auch in Richtung der sich dahinziehenden Verhandlungen zur Zuckerlkoalition: „Klar ist, dass dazu die Hängepartie seit der Wahl nicht wirklich gut ist.“
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