2025 als Jubiläumsjahr

Mundl Sackbauer: 50 Jahre echtes Proletariat

Unterhaltung
30.12.2024 08:00

Im Juni 1975 wurde die erste Folge von „Ein echter Wiener geht nicht unter“ ausgestrahlt. Ein halbes Jahrhundert später hat die Kultserie nichts von ihrer Faszination eingebüßt und feiert alljährlich zu Silvester eine gefeierte Wiederkunft. Mit der „Krone“ erinnert sich auch Karli Sackbauer aka Klaus Rott an die damaligen Dreharbeiten.

Die Szene zählt zu den berühmtesten der österreichischen Fernsehgeschichte und gehört für viele Generationen zum Jahreswechsel wie ein Glas Sekt oder köstliche Brötchen: Eine Rakete landet im Zimmer des Nachbarn und Edmund „Mundl“ Sackbauer (Karl Merkatz) macht Bekanntschaft mit einer Funkstreife. Nachdem die Küchenuhr nicht richtig geht, muss der Jahreswechsel sogar zweimal gefeiert werden und natürlich endet der ganze Abend in einem Stakkato aus derben verbalen Zoten und viel Geschrei. „Jahreswende“ ist die wahrscheinlich bekannteste und langlebigste Episode der legendären Serie „Ein echter Wiener geht nicht unter“ und wird zu Silvester jährlich auf ORF 1 ausgestrahlt: dieses Mal am 31. Dezember um 22.40 Uhr. Ein Silvesterabend ohne „Mundl“ ist noch immer unvorstellbar – und das knappe 50 Jahre, nachdem am 8. Juni 1975 mit „Salz der Erde“ die erste Folge im ORF ausgestrahlt wurde.

Bruch mit den Fernsehkonventionen
„Salz der Erde“ heißt der Roman des legendären Mundl-Erfinders Ernst Hinterberger. Dem Schriftsteller aus dem Arbeitermilieu wurde die Chance geboten, sein Werk als Drehbuch für das Fernsehen zu adaptieren. Die sozialrealistische und bewusst ruppige Darstellung der in einem Favoritner Mietshaus wohnenden Familie Sackbauer war ein vorsätzlicher Bruch mit den harmlosen Familienbildern der vorwiegend aus den USA importierten Seifenopern, aber auch eine bewusste Abkehr vom österreichischen Heimatfilm-Duktus, der nach Ende des Zweiten Weltkriegs für einen dringend nötigen Imagewechsel Österreichs sorgen sollte, sich aber zunehmend ausgelaufen hatte. Die Figur des Antihelden „Mundl“ Sackbauer war nicht zuletzt von Hinterbergers eigener Vergangenheit als Elektriker inspiriert.

Im Gegensatz zur unsympathischen Romanfigur von „Salz der Erde“ ist der Fernseh-Mundl ein polternder und jähzorniger Querulant, der das Herz aber stets am rechten Fleck trägt und dem die Familie trotz all seiner derben Ausfälle über alles geht. Als einst die erste Folge im ORF ausgestrahlt wurde, waren Fernsehzuseher schockiert und erbost. Vor allem die offen dargestellte Arbeiterschicht wollte sich nicht in dieser radikalen Vehemenz abgebildet sehen. Nebenbei gab es aber auch begeisterte Reaktionen auf die lebensechte Darstellung des „goldenen Wiener Herzens“. Sprüche wie „Heast, mei Bier is net deppat!“, „Waunst ma a klans Nudlaug zaumdrahst“ oder „Wann i amoi mit mein Vater so g’redt hätt’, dann hätt’ er ma a Watschn gebn, dass ma 14 Tog da Schädl wockelt“ zogen in die österreichische Alltagssprache an und sind auch bei jüngeren Generationen ungebrochen beliebt.

Den Spiegel vorgehalten
Die Magie von „Ein echter Wiener geht nicht unter“ lag einst auch darin, den Finger auf wunde Punkte der Österreicher zu legen. Prekäre Themen wie Rassismus, Homosexualität oder Vergewaltigung wurden teils unverblümt zur Sprache gebracht und schockierten die Öffentlichkeit – zu großen Teilen wurde der Gesellschaft damit aber auch ein Spiegel des eigenen Seins vorgehalten. Die Serie brach mit dem offen zur Schau gestellten Eskapismus der Nachkriegsjahre und drang so tief in die Realität ein, dass es manchen ungut weh tat. Nie zuvor wurden die Probleme, Sorgen und Unzulänglichkeiten der Wiener Arbeiterschicht so deutlich gezeigt, wie bei „Ein echter Wiener geht nicht unter“, was nicht nur an der gekonnten Inszenierung der Regisseure Reinhard Schwabenitzky, Rudolf Jusits und Kurt Ockermüller, sondern auch an den großartigen Charakterzeichnungen abseits von Markatz‘ „Mundl“ lag.

Ingrid Burkhard brillierte als leidgeprüfte, aber stets humane und die Familie zusammenhaltende Ehefrau Toni, Klaus Rott spielte als Erstgeborener Karli Sackbauer die Rolle seines Lebens und gefährdete das Familienheil mit seiner Liebe zum Bier und einer obszönen Sprache. Markant in Erinnerung blieb auch der geniale Götz Kauffmann als trunksüchtiger Kurti Blahovec, der Mundl in der Illuminierung gerne mit Rat und Tat zur Seite steht, aber auch dunkle Seiten an sich hatte und seiner Frau gegenüber sogar physisch gewalttätig wurde. Den heute 83-jährigen Klaus Rott hat die Rolle des Karli Sackbauer ein ganzes Künstlerleben lang begleitet. „Es war damals ein gutes und sehr harmonisches Team am Werk“, erzählt er der „Krone“ im Interview, „die Zusammenarbeit mit allen Kollegen war hervorragend.“ Nach 24 Folgen war 1979 mit der Serie auch schon wieder Schluss, 2008 und 2010 folgten zwei durchaus erfolgreiche Kinofilme. „Es gab bei uns immer wieder mal sporadische Wiedersehen“, erinnert sich Rott, „ich war zur Zeit der Serie noch sehr jung und die Aufgabe hat mir eine große Freude gemacht.“

Rolle des Lebens
Rott führte mit seinem Kabarettprogramm „Karli“ seine eigene Fernsehgeschichte weiter. „Ich habe mit dem Programm diverse Gastspiele im Osten Österreichs absolviert. Das wurde vom Publikum so gut aufgenommen, dass als Folge daraus der erste Film gedreht wurde. Danach gab es noch ein zweites Soloprogramm.“ Der Kult um „Ein echter Wiener geht nicht unter“ hat sich nach dessen offiziellen Ende 1979 nur noch potenziert. Heute ist die Serie nicht nur, aber vor allem am Silvesterabend eine unverrückbare Konstante. Für den 2022 verstorbenen Karl Merkatz war Edmund Sackbauer neben dem „Bockerer“ die Rolle seines Lebens. Erfinder Ernst Hinterberger gelang Anfang der 90er-Jahre sogar das Kunststück, das damals gegenwärtige Wien mit „Kaisermühlen Blues“ noch einmal akkurat abzubilden. Jetzt aber viel Spaß bei der Silvesterfolge „Jahreswende“, oder um es mit Mundls Worten zu sagen: „Jetzt hau’n ma uns ein gepflegtes Bier in die Venen …“

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