Polit-Beben ausgelöst

Nach Koalitions-Aus: Kanzler Nehammer tritt ab

Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte am Samstagabend bereits die Regierungsverhandlungen mit der SPÖ abgebrochen – und wie kurz darauf bekannt wurde, tritt er nun auch als Bundeskanzler und als ÖVP-Chef ab! Ein Comeback von Sebastian Kurz schien vorübergehend im Bereich des Möglichen, obwohl er nicht der einzige mögliche Nachfolger ist. 

„Wir haben bis zum jetzigen Zeitpunkt alles versucht. Eine Einigung ist in wesentlichen Kernpunkten nicht möglich. So hat es keinen Sinn für eine positive Zukunft Österreichs“, hatte Nehammer zuvor zum Ende der Koalitionsverhandlungen mitgeteilt.

Über den weiteren Fahrplan will die Volkspartei noch heute informieren – Nehammers Rücktritt als Kanzler ist aber beschlossene Sache, Nehammer will sich „in den nächsten Tagen“ auch als ÖVP-Chef zurückziehen, wie er inzwischen selbst bestätigte.

Ich werde mich nicht verbiegen.

Karl Nehammer will nicht mit „Radikalen“ zusammenarbeiten.

Karl Nehammer postete ein Rücktrittsvideo auf X: Unter anderem erklärt er darin, dass man mit „Radikalen“ nicht zusammenarbeiten dürfe. Er werde sich nicht verbiegen – deshalb ziehe er sich nun zurück.

Van der Bellen: „Bild der Lage machen“
Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat unmittelbar nach dem Rücktritt Karl Nehammers mit dem Noch-Kanzler telefoniert. Van der Bellen ist nun als Staatsoberhaupt am Zug, doch wie es nun weitergeht, ist vorerst offen. „Wir müssen uns jetzt ein Bild der Lage machen. Termine in der Hofburg wird es heute jedenfalls keine mehr geben“, heißt es aus der Präsidentschaftskanzlei. Van der Bellen will sich am Sonntag äußern.

Dann wird auch Besuch in der Präsidentschaftskanzlei erwartet. So soll Nehammer nach einer Sitzung der ÖVP-Gremien in der Hofburg seinen Regierungsauftrag zurücklegen. Die Führung der Volkspartei tagt um 10 Uhr im Bundeskanzleramt.

Nach der Aufkündigung der Koalitionsverhandlungen stehen nun jedenfalls zwei Szenarien im Raum: Neben einer Neuwahl (wohl nicht vor Mai 2025) könnte es eventuell doch zu einer Bildung einer Koalition zwischen FPÖ und ÖVP kommen – wohl abhängig davon, wer die ÖVP nach dem Rücktritt Nehammers führen wird.

Mögliche Nachfolger
Als mögliche Nehammer-Alternativen werden Karoline Edtstadler oder Wolfgang Hattmannsdorfer gehandelt – und weiterhin Sebastian Kurz, doch der sagte mitterweile ab, zumindest vorerst.

Wer übernimmt nun bei der ÖVP? Karoline Edtstadler? Sebastian Kurz sagte vorerst ab.

(Bild: APA/HELMUT FOHRINGER)

Auch der Generalsekretär der Wirtschaftskammer, Wolfgang Hattmannsdorfer, wird als möglicher Nehammer-Nachfolger gehandelt.

(Bild: Wenzel Markus/Markus Wenzel)

Prominenteste Kontrahentin ist damit nach Informationen der „Krone“ die Salzburgerin Edtstadler, die mächtige Fürsprecher in der Partei hat – und auch als Vertraute von Kurz gilt. Außenseiterchancen werden Wirtschaftskammer-General Hattmannsdorfer eingeräumt.

„Destruktive Kräfte in der SPÖ“
Wie berichtet, waren die NEOS am Freitag als dritter Koalitionspartner abgesprungen. Am Samstag wurde dann mit der SPÖ alleine weiter verhandelt – ohne Erfolg. Nehammer erklärte in seinem Video dazu unter anderem, dass die „destruktiven Kräfte“ innerhalb der SPÖ die Oberhand gewonnen hatten – und dass es mit der ÖVP keine „Zerstörung von Wohlstand“ geben werde.

„Karl Nehammer hat es verstanden“
„Danke an Karl Nehammer, er hat es verstanden“, sagte unterdessen SPÖ-Chef Andreas Babler. Offenbar sah er zumindest beim Kanzler und auch bei den NEOS weiterhin Bereitschaft zu Kompromissen – doch letztendlich hätte sich jener Parteiflügel der ÖVP durchgesetzt, der wie bisher weitermachen wolle und mit den Blauen liebäugle.

Es hätte Staatsverantwortung und nicht „parteitaktische Taktierereien“ gebraucht, stieß Babler ins selbe Horn wie tags zuvor NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Auch sie hatte fehlenden Reformwillen und Machtpolitik bei gewissen Verhandlungspartnern angeprangert.

Karl Nehammer hat für dieses Land gekämpft wie ein Löwe. Dafür gilt ihm unser Dank.

Johanna Mikl-Leitner

Bild: APA/MAX SLOVENCIK

Lobende Worte für den scheidenden ÖVP-Chef kamen am Samstagabend aus den mächtigen Landesparteien – allen voran seitens der niederösterreichischen Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner: „Karl Nehammer hat für dieses Land gekämpft wie ein Löwe. Dafür gilt ihm unser Dank“, erklärte sie. Nehammer habe die Volkspartei nach einer schwierigen Phase in eine Nationalratswahl geführt und mit aller Kraft daran gearbeitet, eine stabile, zukunftsgewandte Regierung zu ausverhandeln.