Man könnte die Wahl durchaus originell nennen. Die ÖVP, die sich entgegen monatelanger Ansagen nun doch FPÖ-Chef Herbert Kickl als Juniorpartner anbieten könnte, bestimmt just Generalsekretär Christian Stocker zum Parteichef, der über Wochen öffentlich das Credo zu vertreten hatte: nicht mit Kickl. Doch will man Neuwahlen vermeiden, bleibt wohl nur der blaue Ausweg.
Dass der Niederösterreicher Stocker nun zum Zug kommt, hängt auch damit zusammen, dass sich die Volkspartei vorläufig nicht auf eine neue starke Führungsfigur einigen konnte.
Ruhiger Pol der Volkspartei
Stocker hatte noch am Samstag gemeint, dass man am Sonntag schon nach einer langfristigen Lösung suchen werde. Dass dann just er selbst die kurzfristige Lösung wird, ist eine gewisse Pointe. Ganz unlogisch ist die Wahl dann aber auch wieder nicht. In einer Partei, in der die Nervosität schon groß wie lange nicht ist, braucht es einen ruhigen Pol und wohl niemand verkörpert diese Rolle wie Stocker.
Egal, ob in Untersuchungsausschüssen, TV-Diskussionen oder am Rednerpult im Nationalrat: Stocker steht stabil da und lässt Angriffe jedweder Art gelassen an sich abperlen. Er mag nicht der brillanteste Rhetoriker sein, aber er macht seine Sache stets grundsolide und hat der ÖVP-Zentrale nach dem etwas eigenwilligen Intermezzo mit Laura Sachslehner wieder Stabilität verliehen. Angesichts der Umstände wurden auch die beiden bundesweiten Wahlen 2024 passabel geschlagen.
Angriffe gegen Kickl
Freilich ist Stocker vielleicht nicht unbedingt der Richtige, wenn es darum geht, ein freundliches Signal an die FPÖ zu senden. Um nur eines von dutzenden ähnlich klingenden Zitaten Stockers zu nennen: „Herr Kickl, es will Sie niemand in diesem Haus. Auch in dieser Republik braucht Sie keiner“, adressierte er noch im Dezember im Parlament an den FP-Obmann.
Christian Stocker, geboren am 20. März 1960 in Wiener Neustadt, Volksschule und Gymnasium ebenda, Jus-Studium in Wien, Anwaltskanzlei in der Heimatstadt. Ab 2000 Stadtparteiobmann und Vizebürgermeister in Wiener Neustadt, seit 2019 Abgeordneter zum Nationalrat. Ab Herbst 2022 Generalsekretär der ÖVP.
In der Politik ist der Rechtsanwalt schon lange. Im Jahr 2000 wurde er in seiner Heimatgemeinde Wiener Neustadt Stadtparteiobmann, Vizebürgermeister und ÖVP-Gesicht bei Grätzlfesten – zu einer Zeit, als die zweitgrößte Stadt Niederösterreichs noch eine SPÖ-Bastion war. Als die ÖVP 2015 eine Koalition gegen die Sozialdemokraten bastelte und die Macht in der Stadt übernahm, wurde aber nicht er Bürgermeister, sondern Klaus Schneeberger, ÖVP-Klubchef im Landtag.
Seit 2019 im Nationalrat
Nach vielen Jahren in der Kommunalpolitik kam Stocker erst im Jahr 2019 in den Nationalrat. Sein Draht zum mittlerweile abgetretenen Parteichef Karl Nehammer war schon damals ein sehr guter. Entsprechend machte ihn dieser dann auch 2022 zum Generalsekretär. Einer der Gründe: Stocker kenne die Partei und ihre Strukturen in- und auswendig und sei in den Landes- und Teilorganisationen bestens vernetzt. Das wird wohl auch der Grund sein, warum man ihm gerade jetzt die Zügel in die Hände gibt. Eine Dauerlösung an der Spitze wird Stocker aber wohl kaum werden – eher der Koordinator des Findungsprozesses für die neue Parteispitze.
Privat weiß man vom 64-Jährigen, dass er verheiratet und Vater von zwei erwachsenen Kindern ist. Als seine Hobbys gelten das Fliegenfischen und das Spiel mit dem Tenorsaxofon.
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