Die innenpolitische Landschaft wurde in wenigen Stunden über den Haufen geworfen. Wien ist in hohem Maße betroffen. Das sagen die Parteichefs.
Die Wiener schreiten schon in wenigen Monaten zur Urne. Das vergangene Wochenende wird auch gravierende Auswirkungen auf den Wiener Wahlkampf haben. Egal, wann die potenzielle blau-schwarze Regierung steht, sie wird nicht viel Schonzeit bekommen. Von ihren ersten Erfolgen oder eben auch Misserfolgen wird es abhängen, wie leicht es die Wiener SPÖ haben wird, ihre Anhänger zu mobilisieren, oder ob FPÖ oder ÖVP auf einer Erfolgswelle reiten. Wien schaut also ganz genau hin, was sich im Bund tut. Was sagen die Wiener Parteichefs und die Parteichefin zu den aktuellen Entwicklungen?
Knapp drei Monate haben ÖVP, SPÖ und NEOS verhandelt – dann ist die Koalition geplatzt. Der Druck auf Blau und Schwarz wird jetzt nicht geringer.
Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ): Wiens Bürgermeister Michael Ludwig zeigte sich nach dem Verhandlungsabbruch enttäuscht. Ludwig: „Karl Nehammer hatte es immer abgelehnt, Steigbügelhalter für einen Kanzler Kickl zu sein. Nach dem Abbruch der Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ droht jedoch genau dieses Szenario. Unsere Republik ist nun am Scheideweg. Meine Aufgabe wird es sein, in Wien alles daran zu setzen, dass wir auch in Zukunft in einer Stadt leben, wo das Miteinander gelebt wird und wo alle aufeinander schauen. Hier lassen wir niemanden zurück! Denn wir in Wien gehen einen anderen Weg. In diesen dramatischen Zeiten ist es nötig, klare Worte zu finden. Wer sich zum Steigbügelhalter eines FPÖ-Bundeskanzlers macht, ist verantwortlich dafür, was danach herauskommt!“
Heftige Kritik an NÖ-Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner. Sie hatte versehentlich den „Kampf gegen den Islam“ ausgerufen – meinte aber den politischen Islam. Ein SPÖ-Bezirksrat aus Favoriten hat daher eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht.
Dominik Nepp (FPÖ): Die Wiener Freiheitlichen wollen die aktuellen Entwicklungen nicht kommentieren. Jetzt seien einmal Bundespräsident Alexander Van der Bellen, FPÖ-Chef Herbert Kickl und Neo-VP-Chef Christian Stocker am Wort. Sicher ist, die eher unterkühlte Beziehung der Wiener FPÖ zu den Bundesfreiheitlichen rund um Kickl macht einen Minister Dominik Nepp eher unwahrscheinlich. Interessant wird auch, wie sich die Blauen mit der Mahrer-Volkspartei in der Stadt arrangieren können. Kurz nach Nehammers Rücktritt hat man bereits den Kopf von Wiens VP-Chef Karl Mahrer gefordert. FPÖ-Landesparteisekretär Lukas Brucker wenig charmant: „Auch Kickl-Hasser Mahrer muss zurücktreten!“
Karl Mahrer (ÖVP): „Die Volkspartei hat in den vergangenen Wochen alles versucht, um eine Einigung mit SPÖ und NEOS zustande zu bringen. Das ist nun aufgrund der Steuerfantasien des Herrn Babler, die vor allem die Leistungsträger und den Mittelstand in Österreich getroffen hätten, gescheitert. Ich werde die Entscheidungen des Bundespräsidenten und darauffolgende Gespräche auf bundespolitischer Ebene aufmerksam beobachten und mich voll auf meine politische Arbeit in Wien konzentrieren. Denn in Wien müssen wir große Probleme bei Bildung, Integration und Sicherheit lösen.“
Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr (NEOS): „Ich bin überzeugt, dass wir jetzt eine stabile Regierung brauchen. In wichtigen Themen wie der pro-europäischen Ausrichtung und dem Schutz Österreichs, wie zum Beispiel durch Sky Shield, erwarte ich mir, dass die ÖVP nicht nachgibt. Positiv überraschen würde mich, wenn durch mutige Reformen Spielräume für unsere Schulen und Kindergärten geschaffen werden.“
Judith Pühringer (Grüne): „Wenn Blau-Schwarz kommt, sind das für die Menschen in Österreich sehr schlechte Nachrichten. Wo immer FPÖ und ÖVP gemeinsame Sache machen, werden Sozialleistungen gekürzt, der Naturschutz zurückgefahren und neue Straßen auf die grüne Wiese betoniert. Die FPÖ ist eine rechtsextreme, anti-europäische Partei, die für Spaltung steht und eine besorgniserregende Nähe zu Putin aufweist. Dass die ÖVP entgegen allen Versprechungen nun doch mit Kickl koalieren will, ist nichts anderes als skrupellose Wählertäuschung. Die ÖVP gab vor, eine Brandmauer gegen die Rechtsextremen zu sein, nur um genau diesen Brandstiftern jetzt die Räuberleiter ins Kanzleramt zu machen. Auch die Wiener ÖVP wird sich erklären müssen, hatte sie eine Koalition mit Kickl doch immer ausgeschlossen. Das zeigt mit Blick auf die anstehende Wien-Wahl deutlich, wofür die ÖVP steht. Mit Blau-Schwarz vor Augen wird noch einmal klar, wie verantwortungslos die zuvor verhandelnden Parteien ÖVP, SPÖ und NEOS vorgegangen sind. Sie hätten es in der Hand gehabt, einen Rechtsextremen im Kanzleramt zu verhindern. Vor fünf Jahren sind die Grünen bei ähnlicher Bedrohung bewusst Kompromisse eingegangen und haben Regierungsverantwortung übernommen.“
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