Vor der Nationalratswahl im vergangenen Herbst war FPÖ-Chef Herbert Kickl für die ÖVP der Gottseibeiuns und eine „Gefahr für das Land“. Jetzt tritt sie mit ihm in Koalitionsverhandlungen und macht ihn vermutlich zum Bundeskanzler. Das lässt viele in der türkisen Landespartei ungläubig und ratlos zurück.
Gut möglich, dass Wirtschafts- und Industrievertreter in der Landes-ÖVP immer noch jubeln über die 180-Grad-Wende der Partei hin zu FPÖ-Chef Herbert Kickl. Der Großteil der türkisen Funktionäre ist spätestens seit dessen Ansage vom Dienstag fassungslos: Die ÖVP, mit der sich Kickl nun anschickt, eine Koalition zu verhandeln, müsse „wissen, wer die Wahl verloren und wer sie gewonnen hat“, sagte er da. In anderen Worten: Entweder die ÖVP kuscht vor Kickl und den Blauen, oder es gibt Neuwahlen.
Am Nasenring durch die Arena
Die gerade in Oberösterreich so stolze ÖVP ist es nicht gewohnt, am Nasenring durch die Arena gezogen zu werden. „Wir sind in einer elendigen Situation“, fasst es ein ÖVP-Mann zusammen, der anonym bleiben möchte. Dass man nun doch mit Kickl am Verhandlungstisch sitzt, verschlägt wichtigen ÖVP-Proponenten aus OÖ wie etwa Claudia Plakolm oder Parteimanager Florian Hiegelsberger die Sprache: „Kein Kommentar.“
Strategie der ÖVP ist nicht aufgegangen
Andere, die ihren Namen nicht in der Berichterstattung lesen wollen, geben zähneknirschend zu, dass die Strategie der ÖVP nicht aufgegangen ist: Kickl verteufeln und dann mithilfe von SPÖ und Neos wieder den Kanzler zu stellen. Er nehme wahr, dass eine Mehrheit in der Landespartei weiterhin gegen Kickl sei, sagt ein weiterer ÖVPler: „Wir dürfen unsere Seele nicht verkaufen.“
ÖVP-interner Aufstand?
Kommt es also noch zum ÖVP-internen Aufstand – so wie es Grünen-Chef Stefan Kaineder kürzlich gefordert hat? Aus jetziger Sicht eher nicht – denn momentan herrscht lähmende Schockstarre. Von der ohnehin nicht als besonders aufmüpfig bekannten Parteijugend ist auch nichts Derartiges zu erwarten. Immerhin: JVP-Obmann Moritz Otahal scheut sich nicht, ein offizielles Statement abzugeben: „Kickl als Kanzler war und ist für viele unvorstellbar“, räumt er ein. Dennoch sei die aktuelle Situation „die letzte Möglichkeit, unserem Land in einer schwierigen Zeit wieder rasch eine stabile Regierung zu ermöglichen. Es ist keine schöne Situation, es ist aber der Wille der Wähler.“ Widerstand geht anders – den überlässt man in der ÖVP offenbar den Demonstranten.
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