Die Wiener SPÖ hat vor der bevorstehenden Landtagswahl ein internes Compliance-System mit allgemeinen Regeln für Funktionäre entwickelt – als erste Partei, wie Landesparteisekretärin Barbara Novak (SPÖ) am Donnerstag versicherte. Der Prozess wurde gestartet, nachdem sich Funktionäre wegen ihrer Kleingarten-Gründe rechtfertigen mussten.
Festgehalten wurde, dass all jene, die in der SPÖ oder für diese tätig sind, glaubwürdig, transparent und gesetzestreu handeln. Ein eigener „Compliance Officer“ dient als Ansprechpartner.
Kleingartenkauf: SPÖ-Bezirksvorsteher im Fokus
In der Diskussion rund um Kleingärten stand unter anderem ein Kauf im Fokus, den der Donaustädter SPÖ-Bezirksvorsteher Ernst Nevrivy 2020 in einer Anlage in Breitenlee getätigt hat. 2021 fand die Umwidmung des Grundstücks in Bauland statt – was ihm den Vorwurf eingebracht hat, von der Änderung profitiert zu haben. Vor Nevrivy haben bereits einige SPÖ-Politikerinnen dort Parzellen erworben.
„Compliance-Kompass“ als Richtschnur
Derzeit wird von der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs ermittelt. Die SPÖ hat die Causa intern untersucht und kein Fehlverhalten geortet, auch der Wiener Stadtrechnungshof konnte zumindest keine Einflussnahme auf Widmungsverfahren erkennen. Versprochen wurde aber von der Partei, sich dem Thema Compliance intensiver zu widmen.
Das ist nun geschehen: An Mandatare, Funktionäre und Mitglieder ergehen Informationsschreiben mit den Eckpunkten. Im Zentrum des Systems steht ein „Compliance-Kompass“. Es sei wichtig, so heißt es da etwa, dass geltende Gesetze und Regeln beachtet würden, man die Grundwerte der Sozialdemokratie lebe, man Interessenskonflikte offenlege und dass vertrauliche Informationen verantwortungsvoll behandelt würden.
Social-Media-Plattformen: Ruf der Partei soll bedacht werden
Außerdem wird darauf hingewiesen, dass man auf den Ruf der Partei achten solle – also etwa bei Aktivitäten auf Social-Media-Plattformen. „Postings, Likes oder das Teilen von Inhalten können sich negativ auf andere und unsere Bewegung auswirken“, wird betont. Auf konkrete Fälle wird nicht eingegangen, allerdings gibt es einen Leitfaden für etwaige problematische Situationen.
Geraten sie in eine solche, sollen sich Genossinnen und Genossen künftig etwa überlegen, ob man mit dem eigenen Verhalten der Partei schaden könnte. Auch wird empfohlen, sich folgende Frage zu stellen: „Was wäre, wenn mein Verhalten morgen in der Zeitung stehen würde?“
Sollte man sich dies nicht selbst beantworten können, wird den Betroffenen nahegelegt, Hilfe in Anspruch zu nehmen. Anlaufstellen können etwa Vorgesetzte oder der Betriebsrat sein. Es wird aber auch ein eigener „Compliance Officer“ als Ansprechpartner in der Partei installiert.
Auch Thema Zuwendungen geregelt
Dem Thema Zuwendungen an hauptamtliche Mitarbeiter widmet sich das Regelwerk ebenfalls. Übersteigt der Wert der Gabe 70 Euro, ist eine Meldung an die Organisation nötig. Bei Präsenten über 100 Euro ist eine Genehmigung durch den Vorgesetzten einzuholen.
„Als erste und bislang einzige Partei in Österreich hat die SPÖ Wien ein Compliance-System erarbeitet. Wir sind stolz darauf, in diesem Bereich Vorreiterin zu sein und mit gutem Beispiel voranzugehen“, betonte Landesparteisekretärin Novak. Das System lege die Grundwerte der Arbeit der SPÖ transparent und nachvollziehbar dar und stärke somit das Vertrauen der Menschen in Politik und Demokratie, zeigte sie sich überzeugt.
Schulungen angekündigt
Bereits bestehende und innerhalb der Wiener Sozialdemokratie gelebte Grundsätze seien für das Compliance-System verschriftlicht worden. Sie würden bei Bedarf weiter ausgebaut, versprach Novak. Die Implementierung der Richtlinien in der Partei soll unter anderem durch eigene Botschafterinnen und Botschafter stattfinden. Auch Schulungen und Trainings wird es geben.
Sanktionen wurden in dem System nicht eigens verankert. Denn solche gebe es bereits auf anderen Ebenen, wie der APA erläutert wurde. So sei etwa im Statut vorgesehen, das Schiedsgericht befassen zu können. Hier droht als äußerste Konsequenz der Parteiausschluss. Für hauptamtliche Mitarbeiter kommt zudem auch das Arbeitsrecht zum Tragen, wurde betont.
Opposition reagiert zurückhaltend
Für die Wiener ÖVP stellt sich nach der Präsentation die Frage, ob in der SPÖ „echter Reformwille“ bestehe, oder nur versucht werde, von alten Verfehlungen abzulenken. „Offenbar braucht es erst öffentlichen Druck und staatsanwaltliche Ermittlungen, bevor in der SPÖ Transparenz überhaupt ein Thema wird“, befand der Landesgeschäftsführer der Wiener Volkspartei, Peter Sverak. Die Wiener ÖVP, so versicherte er, setze sich seit Jahren für klare, transparente und vor allem unabhängige Kontrollmechanismen in der Politik ein.
Die Grünen zeigten sich erfreut, dass der „Kleingarten-Skandal“ nun „endlich“ dazu geführt habe, dass sich die SPÖ Compliance-Regeln verordne. „Das ist für die SPÖ dringend notwendig“, zeigte sich Klubchef David Ellensohn überzeugt.
Wobei er hinzufügte: „Es ist schlichtweg falsch, wenn behauptet wird, die SPÖ sei die einzige Partei, die sich Compliance-Regeln auferlegt.“ Die Grünen täten dies schon seit Jahren, hob er hervor.
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