Eigentlich waren sich Politbeobachter sicher, dass eine blau-schwarze Koalition aufgrund der vielen Gemeinsamkeiten schnell ausgemacht sein sollte – doch dann kam überraschend doch ordentlich Sand ins Getriebe. Gelingt am heutigen Dienstag keine Entscheidung, werden es damit die längsten Regierungsverhandlungen aller Zeiten.
Mit Mittwoch, dem 5. Februar, erreicht die Regierungsbildung eine Rekordlänge. 129 Tage sind dann seit der Nationalratswahl vergangen – nur nach der Wahl im Jahr 1962 dauerte es ebenso lange, bis eine Regierung angelobt wurde.
Mehr als vier Monate nach der Wahl ist eine Einigung in den Koalitionsverhandlungen zwischen FPÖ und ÖVP aber noch nicht in Sicht. Die Regierungsbildung wird damit wohl zur längsten in der Geschichte der Zweiten Republik.
Gescheitertes „Zuckerl“ verzögerte neue Regierung deutlich
Geschuldet ist die Länge dem Scheitern der Verhandlungen für eine schwarz-rot-pinke Dreierkoalition. 96 Tage nach der Wahl, am 3. Jänner, stiegen die NEOS aus den Verhandlungen aus, am nächsten Tag brach Ex-ÖVP-Chef und -Kanzler Karl Nehammer auch die Verhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ ab.
Seit 10. Jänner und damit seit knapp einem Monat versuchen es die Wahlsiegerin FPÖ und die ÖVP offiziell miteinander – bei erfolgreichem Abschluss wäre es die erste blau-schwarze Koalition. Reibepunkte gibt es aber auch hier. Ob man zu einer Einigung kommt, bleibt offen.
1945: 25 Tage; ÖVP-SPÖ-KPÖ
1949: 30 Tage; ÖVP-SPÖ
1953: 39 Tage; ÖVP-SPÖ
1956: 47 Tage; ÖVP-SPÖ
1959; 67 Tage; ÖVP-SPÖ
1963: 129 Tage; ÖVP-SPÖ
1966: 44 Tage; ÖVP
1970: 51 Tage; SPÖ
1971: 25 Tage; SPÖ
1975: 23 Tage, SPÖ
1979: 30 Tage; SPÖ
1983: 30 Tage; SPÖ-FPÖ
1987: 59 Tage; SPÖ-ÖVP
1990: 71 Tage; SPÖ-ÖVP
1994: 51 Tage; SPÖ-ÖVP
1996: 86 Tage; SPÖ-ÖVP
2000: 124 Tage; FPÖ-ÖVP
2003: 96 Tage; ÖVP-FPÖ
2007: 102 Tage; SPÖ-ÖVP
2008: 65 Tage; SPÖ-ÖVP
2013: 78 Tage; SPÖ-ÖVP
2017: 64 Tage; ÖVP-FPÖ
2020: 100 Tage; ÖVP-Grüne
Das war der bisherige Negativrekord
Regierungsbildungen nach Wahlen 1962 und 1999 auf Platz zwei und drei
Auch nach der Wahl vom 18. November 1962 hatten sich die Verhandlungen zwischen ÖVP und SPÖ monatelang hingezogen, bevor sich die beiden Parteien schließlich widerstrebend – ein letztes Mal vor der Phase der Alleinregierungen – auf eine Neuauflage der Großen Koalition einigten.
Die Regierung unter Bundeskanzler Alfons Gorbach (ÖVP) wurde am 27. März 1963, 129 Tage nach der Wahl, von Bundespräsident Adolf Schärf ernannt.
Schwarz-blau schon einmal recht verzögert im Amt
Auf Platz drei der längsten Regierungsbildungen wird damit jene der ersten schwarz-blauen Koalition verdrängt. Vor 25 Jahren dauerte es insgesamt 124 Tage, bis diese ins Amt kam. Die komplizierte Ausgangssituation nach der Wahl am 3. Oktober 1999 hatte durchaus einige Parallelen zur aktuellen Lage: Die stimmenstärkste SPÖ schloss eine Koalition mit der erstmals auf Platz zwei gelandeten FPÖ aus, die drittgereihte ÖVP wollte in Opposition gehen.
Wochenlange Koalitionsverhandlungen zwischen SPÖ und ÖVP scheiterten, dann ging es ruckzuck. Nur zwei Wochen später wurde am 4. Februar die – parallel schon vorgebaute – erste schwarz-blaue Koalition unter ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel angelobt.
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