Nach Wahl unregierbar?

Deutsche Angst vor Verhältnissen wie in Österreich

Außenpolitik
07.02.2025 20:50

Die deutsche Bundestagswahl am 23. Februar rückt näher, doch statt Aufbruchstimmung herrscht in Deutschland politische Unsicherheit. Friedrich Merz und die Union werden mit ziemlicher Sicherheit als Wahlsieger hervorgehen. Aber stabile Mehrheiten scheinen in weiter Ferne. 

SPD und Grüne, beide deutlich abgeschlagen, schärfen ihre Rhetorik – insbesondere gegen den CDU-Chef. Besonders die SPD verschärft ihren Kurs. Nicht in der Migrationspolitik, sondern in ihrer Abgrenzung von Merz.

Seitdem die Union mit Unterstützung der AfD einen Entschließungsantrag zur Migrationspolitik durchbrachte, eskalierte der Wahlkampf: „Friedrich Merz hat sich verzockt und hinterlässt einen Scherbenhaufen“, schreibt die SPD auf Instagram. Olaf Scholz, als „Kanzler für die Mitte“ inszeniert, wirft Merz einen „Tabubruch“ vor.

Olaf Scholz inszeniert sich als „Kanzler der Mitte“ (Bild: APA/AP)
Olaf Scholz inszeniert sich als „Kanzler der Mitte“

Doch mit dieser scheinbaren Unvereinbarkeit der vermeintlichen Volks- bzw. Mitte-Parteien wächst die Sorge vor einer unregierbaren politischen Landschaft – und man scheut im Nachbarland nicht davor zu sagen: „Ähnlich wie in Österreich.“

Dort endeten festgefahrene Koalitionsverhandlungen zwischen ÖVP, SPÖ und NEOS möglicherweise in einer erstmals FPÖ-geführten Regierung – ein Szenario, das auch in Deutschland befürchtet wird.

„Tabubruch“: Grünen-Chef Habeck geht mit Merz hart ins Gericht. (Bild: AFP)
„Tabubruch“: Grünen-Chef Habeck geht mit Merz hart ins Gericht.
Könnte profitieren: AfD-Chefin Alice Weidel (Bild: snapshot / SZ-Photo / picturedesk.com)
Könnte profitieren: AfD-Chefin Alice Weidel
In Kritik: CDU-Chef Friedrich Merz (Bild: AP/The Associated Press)
In Kritik: CDU-Chef Friedrich Merz

Nach dem hitzigen Schlagabtausch im Bundestag scheint die politische Mitte weiter gespalten. SPD und Grüne distanzieren sich deutlich von Merz, während dieser trotz allem auf Koalitionsverhandlungen mit ihnen hofft. Er selbst sagt: „Wenn ich ihnen nach der Wahl die Schlüssel hinhalte, werden sie sich schon bewegen.“

Doch wie realistisch ist das? SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich stellte klar: „Merz hat das Tor zur Hölle geöffnet“, eine Koalition mit ihm sei kaum denkbar. Robert Habeck von den Grünen sprach von einer „unüberbrückbaren Vertrauenskrise“. Das Problem: Sollte Merz tatsächlich Kanzler werden, aber keine Partner finden, droht eine monatelange Hängepartie – oder gar Neuwahlen.

In Wien führten zerstrittene Parteien dazu, dass sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen schließlich für eine Regierungsbildung unter der FPÖ entschied. In Deutschland wird ein ähnliches Szenario befürchtet: Sollte die Union keine Partner finden und die SPD sich verweigern, könnte die AfD von der Blockade profitieren. Die Frage ist nun: Wird sich die SPD ihrer staatspolitischen Verantwortung bewusst? Oder bleibt sie auf Konfrontationskurs? Was macht Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier?

Sollte es keine klare Regierungsmehrheit geben, könnte Steinmeier eine entscheidende Rolle spielen. Schon 2017 gelang es ihm, eine zunächst widerwillige SPD zu einer Koalition mit der Union zu bewegen. Wäre das auch diesmal möglich?  Noch bleibt die SPD hart. Zumindest, wenn es um die Person Merz geht.

Sollte die Union keine Alternative zu Friedrich Merz nominieren, könnte Olaf Scholz versuchen, mit Grünen und Linken eine Regierungsoption auszuloten. Eine stabile Mehrheit wäre jedoch auch hier nicht in Sicht – zunächst bliebe es wohl bei einer Minderheitsregierung, die bei der Kanzlerwahl kaum auf Stimmen aus der Union zählen könnte.

Das Grundgesetz bietet in einem solchen Fall eine besondere Möglichkeit: Nach mehreren gescheiterten Wahlgängen kann der Bundestag den Kanzler auch mit relativer Mehrheit bestimmen – entscheidend ist dann lediglich, wer die meisten Stimmen erhält. Doch der letzte Schritt läge beim Bundespräsidenten: Steinmeier könnte den so Gewählten ernennen – oder sich für eine Auflösung des Bundestages und Neuwahlen entscheiden. Die zentrale Frage ist also nicht, wer der nächste Kanzler wird – sondern mit wem er überhaupt regieren kann.

Doch eines ist für die SPD klar: Verweigert sie sich völlig, könnte sie selbst zur Ursache eines politischen Stillstands werden. In den kommenden Wochen werden neue Umfragen zeigen, ob die Wähler vom ständigen Streit weiter genervt sind, oder ob sie im Sinne einer stabilen Regierung für Deutschland wählen werden. In den aktuellen Umfragen hatte der Streit bislang wenig Auswirkungen.  Die CDU legt in allen Trendbeobachtungen leicht zu, Grüne, AfD und SPD verlieren oder gewinnen je nach Institut leicht. Einfacher macht das die Sache nicht. 

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