Österreich befindet sich in der größten Wirtschaftsflaute seit Jahrzehnten, die Arbeitslosigkeit steigt. Trotzdem spitzt sich zugleich der Fachkräftemangel in zahlreichen Betrieben zu.
In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Mangel an Arbeitskräften in zahlreichen Branchen sogar deutlich verstärkt, zeigt eine Analyse der Agenda Austria. Hauptgrund ist, dass mit der Babyboomer-Generation auch viele ausgebildete Fachkräfte in Pension gehen, insgesamt hat die Beliebtheit von Lehrlingsausbildungen abgenommen: So gab es 1980 noch rund 200.000 Lehrlinge, zuletzt waren es nur noch etwas über 100.000. „Dazu kommt, dass es ein regionales Missverhältnis gibt“, betont Ökonom Denes Kucsera vom Thinktank Agenda Austria. So ist die Arbeitslosigkeit traditionell in Wien am höchsten, während die Nachfrage nach Arbeitskräften in Salzburg, Tirol und Oberösterreich besonders hoch ist.
Viele Fachkräfte unter den Babyboomern
AMS-Chef Johannes Kopf sieht darin ein „Paradoxon, dass trotz steigender Arbeitslosigkeit auch Fachkräfte fehlen.“ Hauptgründe sind die Demografie – viele Pensionierungen – und der Rückgang der Arbeitszeit. Denn obwohl Österreich gerade einen Rekord an Beschäftigten verzeichnet, ist die Anzahl der geleisteten Stunden seit fünf Jahren nicht gestiegen. „Die Pandemie hat viele in die Teilzeit gedrängt“, sagt Agenda-Experte Kucsera. Wenn Menschen im Schnitt weniger arbeiten, verstärkt das den Fachkräftemangel zusätzlich.
Pflegekräfte und Techniker sind gefragt
Groß ist der Mangel etwa bei Elektrikern, auf 4347 offene Stellen kommen 4638 Arbeitslose, ein Verhältnis von 1 zu 1,07. Bei Technikern (Ingenieure, IT-Kräfte usw.) kommen auf 4914 offene Stellen 6318 verfügbare Arbeitslose. Außerhalb der Technik und des Handwerks fehlen auch in Gesundheitsberufen die Arbeitskräfte. Auf 6809 offene Stellen entfallen 7323 Arbeitslose. Noch massiver ist der Mangel am Beispiel der Pflegekraft zu sehen: Auf 2177 offene Stellen kommen lediglich 705 arbeitslose Pfleger.
Doch, wo sind die Lösungen für das Problem? An der Demografie wird sich nicht so schnell etwas ändern. Doch trotzdem hat die Politik Hebel in der Hand. „Wir müssen das Arbeitskräftepotenzial heben, die Beschäftigungsquote bei Frauen verbessern und geflüchtete Personen rasch und nachhaltig in den Arbeitsmarkt integrieren“, fasst es AMS-Vorstand Kopf zusammen. Die Teilzeitquote ist in Österreich mit rund 30 Prozent sehr hoch. Das liegt laut Kucsera vor allem auch am progressiven Steuersystem, wodurch sich Mehrarbeit für viele zu wenig auszahlt. Generell soll der Faktor Arbeit entlastet werden.
Politik kann Gegenmaßnahmen treffen
Aber auch die fehlenden Möglichkeiten zur Kinderbetreuung lassen viele Frauen in der Teilzeit verharren. Kucsera fordert auch die Umsetzung eines degressiven Arbeitslosengelds, um den Anreiz zu erhöhen, eine Stelle anzunehmen. Um das regionale Missverhältnis in den Griff zu bekommen, könnte zudem ein „Mobilitätsbonus“ helfen, der Fachkräfte belohnt, die größere Strecken auf sich nehmen. Zudem fordert die Agenda Austria einmal mehr eine Erhöhung des Pensionsantrittsalters, um weniger Arbeitskräfte in den Ruhestand zu verlieren.
Wir müssen das Arbeitskräftepotenzial heben, die Beschäftigungsquote bei Frauen verbessern und geflüchtete Personen rasch und nachhaltig in den Arbeitsmarkt integrieren.
AMS-Chef Johannes Kopf
Bild: APA/EVA MANHART
Kopf betont auch, dass eine rasche Integration von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt wichtig ist. Sie sollen grundlegende Fähigkeiten wie Lesen, Schreiben oder Deutsch erlernen. Die Zeit des Wartens auf eine Asylentscheidung sollen Zugewanderte sinnstiftend nutzen.
Rot-Weiß-Rot-Karte ist gefragt
Neben der Integration von Flüchtlingen ist auch eine gezielte Zuwanderung von Fachkräften aus dem Ausland ein Schlüssel, meint Kucsera. Das kann den Mangel vielerorts entschärfen. 2024 nahmen die Anträge für die Rot-Weiß-Rot-Karte deutlich zu.
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