Die Gesundheitskasse nimmt das Trinkgeld ins Visier – und bringt damit Österreichs Gastronomen in Rage. Immer mehr Betriebe berichten von strengen Prüfungen und hohen Nachforderungen. WKÖ-Gastronomie-Obmann Mario Pulker schlägt Alarm und findet klare Worte: „Trinkgelder müssen steuer- und abgabenfrei bleiben.“
Trinkgelder sind vor allem für die Gastronomie, aber beispielsweise auch für Taxlerinnen oder Friseure, ein essenzieller Lohnanteil. Je nach Branche und Bundesländern gibt es unterschiedliche Abgaben-Pauschalen, festgelegt von Wirtschaftskammer (WKÖ) und Gesundheitskasse (ÖGK). Die Sache soll laut Regierungsprogramm evaluiert und bundesweit vereinheitlicht werden. Doch schon aktuell gibt es verstärkt Prüfungen und Nachforderungen, beklagen Branchenvertreter.
Betriebe dürfen nicht überfordert werden
„Trinkgelder müssen steuer- und abgabenfrei bleiben“, fordert der WKÖ-Gastronomie-Spartenobmann Mario Pulker. Zuvor hatte es vom Chef des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes (SWV) Wien, Marko Fischer geheißen: „Die Trinkgeldpauschale war ursprünglich als eine Erleichterung für Unternehmen gedacht, um die aufwendige Führung von Trinkgeldlisten zu vermeiden. Dass die ÖGK nun einfach Anpassungen vornimmt und Unternehmen mit absurd hohen Rückforderungen bedroht, ist nicht hinzunehmen.“ Eine Anpassung dürfe die Betriebe nicht überfordern und muss die Besonderheiten der einzelnen Branchen berücksichtigen.
Warnung vor steigenden Preisen
Die Freiheitliche Wirtschaft (FW) warnte via Aussendung am Montag, dass die „zusätzliche finanzielle Belastung für Betriebe unweigerlich zu steigenden Preisen führen wird“. FW-Gastrosprecher Simon Schnell sieht gar einen „gezielten Angriff der ÖGK“ auf die „hart erarbeiteten Zusatzeinnahmen des Gastro-Personals“ und versuche, diese über die Arbeitgeber einzutreiben.
„Trinkgeld ist ein Zeichen der Anerkennung durch Gäste – und nun greift der Staat danach, als wäre es eine zusätzliche Steuerquelle. Das ist eine untragbare Belastung für die gesamte Branche.“ Trinkgelder müssten „zu 100 Prozent steuerfrei bleiben“. Es handle sich um ein „Gastgeschenk und keine versteckte Steuerquelle“.
Kartenzahlungen machen Trinkgeldfluss transparent
Von Nachforderungen der ÖGK sind die Betriebe betroffen, nicht die Mitarbeiter. Freilich geht es auch um Ein-Personen-Unternehmen (EPU). „Im Zuge der Lohnsteuerprüfung sieht man über die Registrierkassa, wie viel eine Kellnerin oder ein Kellner Trinkgeld gemacht hat, weil auch dieses immer öfter mit der Karte mitbezahlt wird“, erläutert Pulker.
„Da wird dann der Sozialversicherungsbeitrag herausgerechnet.“ Vor allem aus der Steiermark hätten ihn zum Thema zuletzt Informationen zu verstärkten Prüfungen in der Gastronomie erreicht. Die Nachforderungen gingen „zum Teil in den fünfstelligen Bereich“.
Pulker: Nicht Mitarbeitern Geld wegnehmen
Für den Wirtschaftskammer-Spartenobmann, Gastronom und Hotelier Pulker kann das in Dienstleistungsbranchen aber nicht der Zugang sein. „Das Finanzministerium und die Krankenkassa können sich nicht hinstellen und den Mitarbeitern Geld für eine gute Leistung am Gast wegnehmen. Das geht einfach nicht.“ Auch wenn mit Karten bezahlt werde, müsse das so bleiben.
Nach einer WKÖ-internen Abstimmung mit Vertretern anderer betroffener Branchen verhandle er, Pulker, derzeit mit der Krankenkassa. Das Thema sei sehr komplex, „jedenfalls braucht es eine Lösung, damit Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für ihre Leistung am Gast belohnt und nicht bestraft werden, indem sie ihre Topleistung auch noch versteuern bzw. Sozialversicherungsabgaben zahlen müssen.“
„Wir sprechen hier nicht von Konzernen, sondern von Ein-Personen-Unternehmen und Familienbetrieben, die durch die neuen Forderungen in ihrer wirtschaftlichen Existenz bedroht werden“, gab Martina Haslinger-Spitzer, Tourismuschefin vom SWV Wien, zu bedenken. „Trinkgeld ist ein wichtiger Bestandteil des Einkommens vieler Beschäftigter.“
Sorge, noch weniger Personal zu finden
Gülten Karagöz, SWV-Friseurchefin, verwies darauf, dass das Thema nicht nur die Betriebe, sondern auch die Kundinnen und Kunden treffe, führe eine erhöhte Abgabe auf Trinkgelder doch notgedrungen am Ende zu einer Erhöhung der Preise im Geschäft. Gleichzeitig sinke der Anreiz für Mitarbeitende, in Branchen zu arbeiten, in denen das Trinkgeld relevanter Lohnbestandteil ist.
Wie eine Lösung am Ende ausschaut, ist noch offen. Laut Pulker ist nicht zwangsläufig ein Gesetz oder eine Gesetzesnovelle notwendig.
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