„Umdenken notwendig“

Ukraine-Krise entfacht Debatte um Einstimmigkeit

Außenpolitik
03.03.2025 21:56

Wenn es um Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU geht, muss unter den Mitgliedern Einstimmigkeit herrschen. Ungarn legt gerne Vetos ein, neutrale Staaten können sich dank der „konstruktiven Enthaltung“ aus der Affäre ziehen. Das macht eine rasche Konsensfindung schwierig. Brüssel könnte von der Realität überholt werden.

Die einen wollen sich an das Prinzip der Einstimmigkeit klammern, um nationale Interessen zu wahren, wie Harald Vilimsky, Delegationsleiter der FPÖ im EU-Parlament: „Das Rütteln am Einstimmigkeitsprinzip ist für Brüssel zu einer Art Allheilmittel verkommen“, sagt er zur „Krone“. Dabei zeige sich in der aktuellen Situation die „Wichtigkeit der Einstimmigkeit“, so Vilimsky, „gerade für neutrale Staaten wie Österreich“.

FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky (Bild: Thomas Ramstorfer)
FPÖ-Delegationsleiter Harald Vilimsky

Auch Andreas Maurer, Politologe an der Uni Innsbruck, sieht keine Notwendigkeit für eine Änderung. In Artikel 31 des EU-Vertrags ist für neutrale Staaten extra das Instrument der „konstruktiven Enthaltung“ vorgesehen. Damit stimmt man Entscheidungen zwar nicht zu, blockiert sie aber auch nicht. Länder wie Ungarn hingegen blockieren Entscheidungen durch ein Veto bewusst und verhindern dadurch notwendige Maßnahmen.

Andreas Schieder (SPÖ) (Bild: SEPA Media)
Andreas Schieder (SPÖ)

Andreas Schieder, Delegationsleiter der SPÖ, sagte zu „Krone“: „Statt mit der stets geforderten ,einen Stimme‘ zu sprechen, klingen außenpolitische Debatten der EU oft wie ein wirres Durcheinander. Das können wir uns in Zeiten wie diesen aber nicht mehr leisten.“

Die Lage sei ernst „und wir müssen eine ernsthafte Debatte darüber führen, ob das starre Einstimmigkeitsprinzip am Ende nicht unserem Ansehen in der Welt schadet und im Endeffekt auch unseren eigenen Sicherheitsinteressen. Allerdings müssen aus Sicht eines neutralen Landes Fragen der Verteidigung ausgeklammert werden“, so Schieder weiter.

Helmut Brandstätter (NEOS) (Bild: Michael Indra / SEPA.Media / picturedesk.com)
Helmut Brandstätter (NEOS)

Helmut Brandstätter von den NEOS plädiert schon länger dafür, in Fragen der Außenpolitik auf Mehrheitsentscheidungen zu setzen und sich von den „Fesseln der Einstimmigkeit zu befreien“. Brandstätter zur „Krone“: „Wir erleben erneut, wie das Einstimmigkeitsprinzip die EU blockiert: Orbán hat bereits angekündigt, den EU-Sondergipfel am Donnerstag zu torpedieren und die dringend benötigte Ukraine-Unterstützung zu verhindern – ein weiteres Beispiel dafür, wie ein einzelnes Land die gesamte Union in Geiselhaft nimmt.“

Europa müsse gerade jetzt mit einer starken Stimme nach außen auftreten – statt mit 27 verschiedenen. „Die großen Herausforderungen unserer Zeit können wir nur gemeinsam lösen, mit einem geeinten und entschlossenen Europa, das weltweit respektiert wird.“

CDU-Politiker David McAllister (ganz rechts) leitet seit acht Jahren den Außenpolitischen Ausschuss der EU. (Bild: EPA/UWE ANSPACH)
CDU-Politiker David McAllister (ganz rechts) leitet seit acht Jahren den Außenpolitischen Ausschuss der EU.

„Umdenken wird notwendig sein“
David McAllister von der deutschen CDU leitet den Außenpolitischen Ausschuss der EU und sprach ebenfalls mit der „Krone“ über das Thema Einstimmigkeit: „Wir müssen schrittweise zu Abstimmungen per qualifizierter Mehrheit übergehen.“ Der erfahrene Europapolitiker steht einem der wichtigsten Ausschüsse in Brüssel seit 2017 vor: „Dies würde verhindern, dass einzelne Mitgliedstaaten aus innenpolitischen oder nationalen Eigeninteressen heraus gemeinsame Positionen blockieren.“

Gerade in der aktuell angespannten geopolitischen Lage, in der die EU ihre außen- und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit schnell drastisch erhöhen muss, „ist ein Umdenken notwendig“, so McAllister.

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