Die Lippenbekenntnisse, den Faktor Arbeit zu entlasten, sind offenbar wenig wert. Denn die neue Koalition nimmt die zuvor abgefeierte Abschaffung der Kalten Progression wieder zurück – zwar nur teilweise, dennoch kostet dieser „Trick“ im Regierungsprogramm die Steuerzahler gesamt 360 Millionen Euro pro Jahr.
Die Kalte Progression stand jahrelang in der Kritik. Denn sie führte dazu, dass mit jeder Lohnerhöhung aufgrund der gleichbleibenden Steuerstufen die Österreicher stärker belastet wurden. „Ohne Anpassung frisst jeder Prozentpunkt Inflation 400 Millionen Euro weg“, so Agenda-Austria-Experte Dénes Kucsera. 2022 beschloss der Nationalrat dann endlich die Abschaffung, doch schon damals gab es einen Haken.
Über drittes Drittel wird willkürlich entschieden
Denn die Regierung indexierte die Steuerstufen nur zu zwei Drittel mit der Inflation, über das letzte Drittel sollte hingegen verfügt werden. Damals wurde aber beteuert, es komme den Lohnsteuerzahlern zugute, in niedrigen Steuerstufen stärker als in den höheren. Nun krallt sich der Fiskus dieses Drittel ab 2026 doch wieder ganz, um sein Budget zu sanieren.
Schon bei der Reform kam Kritik auf. Experten meinten, dass der Staat nach Gutdünken über das Geld der Steuerzahler verfügen könne. Auch die NEOS sahen das so, was sie allerdings nicht davon abhielt, die Maßnahme nun abzunicken.
„In Summe kostet die Arbeitnehmer die teilweise Wiedereinführung der Kalten Progression 360 Millionen Euro in einem Jahr“, kritisiert Dénes Kucsera vom Thinktank Agenda Austria. Der Betrag basiert auf der Annahme, dass die Inflation im Zeitraum Juli 2024 bis Juni 2025 bei 2,7 Prozent liegt.
Je mehr jemand verdient und je mehr Steuern er damit zahlt, desto stärker ist der Effekt. Beim Medianeinkommen von rund 2560 Euro wären es netto 47 Euro jährlich. Bei einem Bruttomonatseinkommen von 4000 Euro sind es netto 80 Euro, für Gutverdiener deutlich mehr (siehe Grafik oben).
„Die Beträge klingen im ersten Moment nicht besonders hoch, doch der Arbeitnehmer nimmt diesen Verlust Jahr für Jahr mit. So kommen über die Jahre mehrere hundert Euro zusammen“, betont der Experte.
Komplette Abschaffung wäre gerechte Lösung
Insgesamt führt das zu einer Mehrbelastung statt einer Entlastung des Faktors Arbeit. Kucsera plädiert dafür, die Kalte Progression endgültig komplett abzuschaffen, in der Schweiz ist das etwa der Fall. „Leider ist genau das eingetreten, was wir bei der teilweisen Abschaffung befürchtet haben“, so der Experte. Die Budgetkrise sei zwar offenkundig, doch der Staat sollte sich das Geld woanders holen – immerhin hat Österreich alles andere als ein Einnahmenproblem.
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