Seit dem Verbot des Beißtrainings rumort es gewaltig im Österreichischen Kynologen Verband (ÖKV). Statt Suche nach Konsens übt sich Präsident Philipp Ita in einer Polemik, die sogar in den eigenen Reihen durchaus auf Unverständnis stößt.
Die für Tierschutz zuständigen Mitglieder der neuen Regierung hatten noch nicht mal ihre Namensschilder montiert, als es bereits heftig an der Tür klopfte. Als Willkommensgeschenk gab es ein großes Paket, das bisher niemand so richtig öffnen wollte. Der haarige Inhalt: Die „Abschaffung des Beiß- und Angriffstrainings im Gebrauchshundesport“.
Für sinnvoll erachtet
Mit einer ministeriellen Verordnung – wir haben berichtet – sorgte Johannes Rauch (Grüne) dafür, dass ab 15. April kein gegen den Menschen gerichtetes Beiß-Training mehr stattfinden darf. Auch die neu angelobte Staatssekretärin für Tierschutz, Ulrike Königsberger-Ludwig (SPÖ), und der Tierschutz-Sprecher der NEOS, Christoph Pramhofer, halten an dieser Neuerung fest und sehen keinen Handlungsbedarf, das jemals wieder zu kippen.
Bissige Lobby
Für Staunen sorgte bei manchen jedoch, was in diesem „Päckchen“ noch alles dabei war. Denn der österreichische Hunde-Dachverband ÖKV (ein privater Verein!) verortet die begrüßenswerte Änderung als Frontalangriff und scheint es abzulehnen, längst überfällige Änderungen von sich aus voranzutreiben.
Die angriffige Tonalität einer Presseaussendung wird von manchen Hundefreunden sogar auf der eigenen Facebook-Seite kritisch gesehen und ist wohl dem nötigen Umdenkprozess wenig zuträglich. Auch Vertreter des betroffenen Gebrauchshundesports üben Kritik an den Verantwortlichen des ÖKV, verraten mehrere Insider in Telefonaten mit der „Krone“.
Aus dem Ruder gelaufen
Denn hinter vorgehaltener Hand ist so mancher verärgert, dass man sich zu viel Zeit gelassen hat, um eigene Vorschläge zu präsentieren und auch konkret in die Umsetzung zu bringen. Vor allem, dass man nicht konsequent gegen die „schwarzen Schafe“ vorgegangen sei und für mehr Transparenz und Auflagen gesorgt habe, ärgert die Szene.
Über eine Dekade lang debattiert
Zeit genug wäre gewesen, denn die Diskussion über ein Verbot ist bereits 15 Jahre alt – also ein ganzes, langes Hundeleben. Längst hätte man die Zuchtordnung verändern können, als auch das Training selbst. Weil warum muss zur Überprüfung von „Triebbeständigkeit, Selbstsicherheit und Belastbarkeit“ noch immer der Hund auf den Menschen gehetzt werden? Und warum gibt es noch immer Übungen, bei denen der ganze Mensch als Beißobjekt dient (Mondioring)?
Schiefe Optik
In Gesprächen mit Experten und Kennern der Szene fällt auf: Vereinsabgaben (diese Beiträge richten sich nach Anzahl der Mitglieder), Aufwandsentschädigungen und auch andere Einnahmen – etwa durch den Verkauf von Urkunden, Abzeichen und dergleichen – bei Wettbewerben und Prüfungen bringen dem ÖKV und den Verbandskörperschaften bares Geld ein.
Hier mutet auch ganz besonders seltsam an, dass der Ausbildungsleiter des staatlichen Militärhundezentrums gleichzeitig auch als Leistungsreferent im Vorstand des ÖKV sitzt. Darüber hinaus betreibt er privat eine Hundeschule, die just das einschlägige Training bisher anbieten konnte. Der Aufschrei aus den Reihen des Bundesheeres über das kommende Verbot hat nun den Anschein, dass hier auch persönliche Interessen im Vordergrund stehen könnten.
Eines ist klar: Sowohl Heer als auch Polizei sind auf Diensthunde angewiesen, und diese werden auch nicht infrage gestellt. Dass man hier aber von Zuchtpapieren des ÖKV abhängig sei, ist schlichtweg eine falsche Behauptung. Es stellt sich die Frage, warum der Verband so an seinen alten Strukturen festhält. Anstatt Teil der Lösung zu sein, verbeißt man sich im Gestern und beschwört allerlei Untergangs-Szenarien herbei.
Man setzt auf Desinformation
Von einem Sicherheitsproblem durch einen Engpass an Diensthunden ist die Rede, und dass in Zukunft vermeintlich niemand mehr aus Trümmern oder Lawinen geborgen werden könne. Dass man all diese Themen durch neue Regeln aus der Welt schaffen könnte und mit einer Vorreiter-Rolle internationale Beachtung finden würde, ist scheinbar nicht denkbar.
ÖKV gegen jede Veränderung?
Auch als es 2005 in Österreich zu einem Kupierverbot bei Hunden kam, war es der ÖKV, der am lautesten dagegen knurrte. Er wollte seinen Hunden nach wie vor Ohren und Rute abschneiden. Auch damals hatte man Angst, dass die Zucht dadurch in Österreich „vor die Hunde“ geht. Undenkbar heute!
Der Zug ist bereits abgefahren, während der ÖKV noch den Fahrplan studiert. In welche Richtung die Reise für alle gehen sollte, ist klar: Mehr Tierschutz mit Herz und Hirn, denn nur so können Meilensteine bei brennenden Themen wie Welpenhandel, Qualzucht und Hundeausbildung erreicht werden. Es ist wirklich jeder eingeladen, diesen Weg mitzugehen.
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