Die Achse zwischen Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und seinem Ex-Stadtrat, dem nunmehrigen Verkehrsminister Peter Hanke, macht offenbar möglich, was jahrelang scheiterte: Zufahrtsbeschränkungen für die Wiener Innenstadt. Ludwig sieht damit eine neue Ära im Herzen der Stadt beginnen.
„Die verkehrsberuhigte Innere Stadt, für die wir uns so lange eingesetzt haben, wird nun Wirklichkeit“, verspricht Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) als Knalleffekt unmittelbar vor der Wien-Wahl. Die Zufahrt zum Stadtkern soll, wie von der Stadt schon seit Jahren gefordert, ab 2026 durch ein elektronisches Zufahrtsmanagement geregelt werden. Der Bund hatte der Idee – zuletzt in Gestalt von Verkehrsministerin Leonore Gewessler (Grüne) – aus Datenschutzgründen nie etwas abgewinnen können.
System „nach europäischen Standards“
Inzwischen gibt Ludwigs Vertrauter, Wiens ehemaliger Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke, im Verkehrsministerium den Ton an. Das dürfte Bewegung in die jahrelange Pattstellung zwischen Bund und Stadt gebracht haben. Für Zufahrtskontrollen braucht es eine Novelle der Straßenverkehrsordnung. Datenschutz-Probleme, die früher auch die ÖVP geteilt hatte, sieht man im Bund nun keine mehr: Die Video-Überwachung der Zufahrtsbeschränkungen werde „nach europäischen Standards“ erfolgen, wird betont. Städte wie Paris, Bologna und Turin haben solche Systeme schon.
Ludwig sieht die Beschränkung des Autoverkehrs als Voraussetzung, damit Wien „auch in Zukunft die lebenswerteste Stadt der Welt bleiben“ kann. Er sieht eine neue Ära für das Stadtzentrum heraufdämmern, in dem mehr „Raum für Begrünung, Kühlung, attraktive Fuß- und Radwege sowie einladende Aufenthaltsbereiche“ zur Verfügung stehen und die Innenstadt so zu einem Ort machen wird, „an dem man sich gerne aufhält, begegnet und Zeit verbringt“.
In der Pionierrolle für 25 weitere Städte
Zudem betonen Ludwig und Hanke, dass man mit den Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung der Wiener Innenstadt auch die Pionierrolle für viele weitere österreichische Städte übernehme. Tatsächlich stellte sich der Städtebund, ebenfalls schon vor Jahren, hinter Wiens Forderungen. 25 Städte in Österreich, von den Landeshauptstädten abwärts, haben auch Interesse daran, Autos abseits des Anrainerverkehrs aus den Stadtzentren fernzuhalten.
Die Klubobleute der rot-pinken Koalitionsfraktionen, Josef Taucher (SPÖ) und Selma Arapovic (Neos) stellten sich demonstrativ hinter die Pläne und verwiesen sowohl auf eine technische Machbarkeitsstudie der Stadt als auch auf ein Datenschutzgutachten im Auftrag des – damals grünen – Klimaministeriums. Beide Gutachten bewerteten Zufahrtskontrollen als probates Mittel zur Verkehrsberuhigung.
FPÖ strikt gegen Pläne, ÖVP und Grüne mit gemischtem Echo
Die Verkehrsberuhigung wird jedoch weiterhin Zankapfel bleiben. Wiens ÖVP-Obmann Karl Mahrer hieß die Idee zwar grundsätzlich gut, forderte jedoch umgehend die Schaffung von neuen Garagenplätzen im Stadtzentrum, damit „die Verkehrsentlastung nicht auf Kosten der Wirtschaftstreibenden in der Inneren Stadt geht“. Die FPÖ wetterte gegen das Vorhaben als „Anschlag auf die Wirtschaft und ältere Menschen“. Die Grünen sprachen von einem Wiener „Wahlkampfschmäh“ und davon, dass man schon viel zu lange auf die verkehrsberuhigte Innenstadt warte – freilich, ohne dabei irgendeine Verantwortung bei Gewessler zu sehen.
Nicht zuletzt hatte Gewessler aber bei ihrem Veto während der letzten Jahre die Unterstützung von Datenschützern. Man kann also damit rechnen, dass auch Gerichte die Wiener Zufahrtsbeschränkungen früher oder später auf ihre Rechtmäßigkeit abklopfen werden müssen und sich dann erst klären wird, ob die Bedenken wegen des Datenschutzes berechtigt waren.
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