Während sich Klimakleber im Mai 2024 auf der Südosttangente festgeklebt und ein Auto zubetoniert hatten, fotografierte ein Polizist vom Mittelstreifen aus den Gegenverkehr. Der Beamte erstattete eine Anzeige nach der anderen. Der Fall landete vor Gericht und nahm einen erstaunlich klaren Ausgang.
„Sie haben ohne zwingenden Grund Ihr Fahrzeug so langsam gelenkt, dass der übrige Verkehr behindert worden ist“, stand in der Anzeige der Landespolizeidirektion Wien, die einem Lenker die Zornesröte ins Gesicht trieb. 70 Euro sollte der Mann zahlen. Und nicht nur er. Wie sich herausstellte, bekamen 277 Autofahrer (!) auch eine derartige Anzeige ...
Blaulicht, Feuerwehr und ein Mann am Mittelstreifen
Der Fall ist kurios. Auf der Tangente hatte sich am 8. Mai 2024 eine Gruppe von Klimaklebern angeklebt und ein Auto einbetoniert. Doch es sind nicht sie, die die Briefe erhielten, sondern jene Autofahrer, die auf der Gegenfahrbahn unterwegs waren. Und zwar zu langsam, wie der Beamte meint, der die Anzeigen verfasste.
Wir sahen einen Mann auf dem Mittelstreifen. Auch wussten wir nicht, ob nicht gleich Personen auf unsere Seite rüberspringen werden.
Der „Langsam-Fahrer“ wehrt sich gegen die Anzeige.
„Es ging die ganze Zeit stop-und-go. Dann haben wir Feuerwehr und Blaulicht auf der anderen Seite gesehen und einen Mann, der auf dem Mittelstreifen gleich neben der Fahrspur stand“, erinnert sich jener Angezeigte, der den Fall nun vor Gericht brachte. „Die Situation war unübersichtlich. Wir wussten ja nicht, ob da nicht gleich jemand auf die Fahrbahn springen würde“, begründet er, warum angepasstes Fahren jedenfalls erforderlich gewesen sei.
„Es war nicht möglich, schneller zu fahren“
Was er an jenem Mittwoch noch nicht wusste: Der Unbekannte am Mittelstreifen war ein Polizist. Der mit seinem Handy 277 Fahrzeuge, die seines Ermessens nach den Verkehr durch zu langsames Fahren behinderten, abknipste. „Wir waren mit genug Kräften vor Ort, sodass ich mich darauf konzentrieren konnte“, sagt er, dass er nur dann Fotos gemacht habe, wenn jemand zu langsam gefahren sei. „Es war nicht möglich, schneller zu fahren“, erwidert der Autofahrer.
Der Beschuldigte hat keine – als Gegenbeweis taugliche – Angaben gemacht.
Herr Rat in seiner Begründung.
Richter hat „keinen Zweifel“ an Fehlverhalten
Beim Prozess im Verwaltungsgericht Wien glaubt der Richter dem Polizisten. Die Behörde „habe keinerlei Zweifel am schuldhaften Fehlverhalten des Beschuldigten“, ist in den Ausführungen zu lesen. Den Aussagen des Polizisten sei mehr Glauben geschenkt worden, weil dieser aufgrund seines Diensteids der Wahrheitspflicht unterliege und der Beschuldigte „keinen tauglichen Gegenbeweis“ antreten habe können. Erschwerend wurde gewertet, dass dieser „das Interesse der Verkehrssicherheit in nicht unerheblichem Maße“ geschädigt habe.
Der angezeigte Autofahrer muss nach den ernüchternden Feststellungen jetzt mehr als die ursprüngliche Strafe berappen.
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