Von seinem Büro im dritten Stock des Opernring-Hofs sieht er auf das Dach der Wiener Staatsoper. Der Industrielle Hannes Androsch sitzt in seiner lachsfarbenen Samtcouch, neben ihm auf dem Glastisch stehen Fotos seiner drei Kinder und deren Mütter, alle in Silber gerahmt. Ein Öl-Porträt des steirischen Künstlers Martin Schnur zum Fünfundsiebzigsten wartet noch auf den richtigen Platz: Es zeigt Hannes Androsch im Bergwerk von Altaussee; die respektable Gestalt des Salzbarons spiegelt sich in einem unterirdischen Salzsee.
"Sehr geehrter Herr Dr. Androsch!" So beginnt der Brief, den Finanzminister Michael Spindelegger an ihn und andere vermögende Österreicher geschickt hat (siehe Story in der Infobox). Er endet mit der Bitte, doch etwas zu spenden: "Es wäre ein großartiges zivilgesellschaftliches Zeichen, für das ich Ihnen schon jetzt danke."
"Krone": Herr Dr. Androsch, was dachten Sie sich, als Sie den Brief von Michael Spindelegger geöffnet haben?
Hannes Androsch: Ich war im Ausland, sein Brief traf zeitgleich bei mir im Büro und bei einer Tageszeitung ein. Nicht gerade die feine englische Art.
"Krone": Er lehnt eine Millionärssteuer trotz "finanzieller Schieflage" ab und bittet stattdessen um Spenden für Wissenschaft, Forschung und Universitäten.
Androsch: Offenbar nach dem Motto des Philosophen Sloterdijk: "Was Sie gerne geben..." Das Verwunderliche daran ist, dass er sich so wenig vertraut gemacht hat, weder mit meinen steuerpolitischen Vorstellungen noch mit meinem philanthropischen Engagement. Sonst müsste er wissen, dass ich längst eine Stiftung bei der Akademie der Wissenschaften eingerichtet und bis dato zwei Millionen Euro eingezahlt habe. Spätestens im Erbfall werden es zehn Millionen sein.
"Krone": Wie haben Sie reagiert?
Androsch: Mit einem Mix aus Verwunderung und Amusement. Ich habe sein Büro angerufen, und er hat sich rasch verbinden lassen. Warum schreiben Sie mir einen Brief, noch dazu über die Medien, in völliger Fehleinschätzung, was ich seit Jahren mache? Er meinte, das habe er nicht gewusst... Aber um sich die Grundlagen für einen solchen Brief zu verschaffen, dafür hat er eigentlich ein ganzes Ministerium, wenn ich das richtig sehe (lacht).
"Krone": Hat sich Spindelegger blamiert?
Androsch: Ich würde diesem Brief nicht weitere Bedeutung zumessen. Aber er passt zu einer nicht sehr fundierten Steuerdiskussion. Dabei brauchen wir einen Schulterschluss zwischen Regierung, Landeshauptleuten, Sozialpartnern, ein ganzes Paket und die Entschlossenheit, es umzusetzen. Nicht mit punktueller Kesselflickerei von Einzelmaßnahmen, die vom jeweiligen Gegner wie beim Tontaubenschießen abgeschossen wird.
"Krone": Sie sind mit anderen österreichischen Millionären auf dem Cover des "Profil" abgebildet. Titel: Lasst uns bitte zahlen! Würden Sie Millionärssteuer zahlen?
Androsch: Wenn Sie meine Stellungnahme dort lesen, werden Sie rhetorische Fragen mit ironischem Unterton finden. Ich selbst habe kein liquides Vermögen. Mein Vermögen ist in Betrieben gebunden, das kann sich niemand umschnallen...
"Krone": Der Millionär Androsch ist also gegen die Millionärssteuer?
Androsch: Ich bin für ein sinnvolles budgetkonsolidierendes und wachstumsförderndes Gesamtkonzept mit dem Ziel, dass auch mit einer Hochsteuerbelastung wirtschaftlicher und gerechter umgegangen wird. In der Steuerdiskussion vermisse ich weiter einen sachgerechten Umgang mit dem komplexen Thema. Steuern sind wie Medikamente. Leichtfertig soll man sie nicht verschreiben. Denn neben ihrer fiskalischen Wirkung haben sie immer auch Nebenwirkungen ökonomischer Art. Wenn die Nebenwirkungen schädlicher sind als die Primärwirkung, dann entstehen unangenehme Probleme, vor allem auch Ungerechtigkeiten.
"Krone": Was sind die Nebenwirkungen?
Androsch: Es ist ja noch nicht einmal geklärt, was denn besteuert werden soll. Ist der Vermögensbestand oder der Vermögenszuwachs gemeint? Soll es die Vermögensübertragung sein? Wenn die Besteuerung ab einem Vermögen von einer Million gemeint ist, dann wird man sich wundern. Die großen Finanzvermögenden würden den Steuerwohnsitz wechseln, und das Sachvermögen, also die Investitionen, würden zum Schaden der heimischen Wirtschaft bestraft werden. Wer also mit dieser Komplexität leichtfertig umgeht, betreibt steuerpolitische Kurpfuscherei. Die Steuerpolitik ist kein Spielzeug nicht!
"Krone": Meinen Sie damit den Vorsitzenden Ihrer Partei, Werner Faymann? Der sagt, dass an der Vermögenssteuer kein Weg vorbei führt.
Androsch: Es hieß auch einmal, die allgemeine Wehrpflicht sei in Stein gemeißelt, und dann wollten wir das Gegenteil. Solche Erklärungen nehme ich nicht so ernst. Ich beschäftige mich seit fast 60 Jahren mit dem Thema Steuern. Wir sind eines der höchstbesteuerten Länder, da können die Leute mit dem Geld nicht auskommen.
"Krone": Eben deshalb sollen ja die Reichen ihren Beitrag leisten, weil die Unterschiede zwischen Arm und Reich immer größer werden.
Androsch: Österreich hat mit 30 Prozent der Wirtschaftsleistung weltweit eine der höchsten Sozialleistungen und eine der gleichmäßigsten Verteilungen. Wenn man damit nicht mehr Gleichheit und Gerechtigkeit schafft, dann müssen diese riesigen Summen offensichtlich falsch ausgegeben werden.
"Krone": Vermögenssteuer also unter welchen Umständen?
Androsch: Wenn wirklich weitere Vermögenssteuern kämen - denn wir haben ja schon die Grundsteuer - dann müsste man im Gegenzug den Abtausch rückgängig machen, den der ehemalige Finanzminister (Ferdinand, Anm.) Lacina in den Neunziger Jahren gemacht hat: Er hat damals die Vermögenssteuer, die eine Art Investitionsstrafsteuer für die Betriebe war und 70 Millionen gebracht hat, beseitigt und sich die KESt , also die Zinsertragssteuer, die ein bis zwei Milliarden bringt, geholt. Alles andere wäre ein Wortbruch.
"Krone": Als ehemaliger Finanzminister wissen Sie natürlich, wie eine Steuerreform aussehen sollte und wann sie kommen könnte. Korrekt?
Androsch: Angesichts der irrwitzigen Steuerprogression, die allerdings nur die eine Hälfte der Steuerpflichtigen und wegen der zigfachen Steuerbegünstigungen auch sehr unterschiedlich trifft, bedarf es sicher einer Entlastung, um mehr Netto vom Brutto zu erreichen, und weiters muss man verhindern, dass wegen der hohen Lohnnebenkosten die Arbeitskosten wettbewerbsschädigend unvertretbar steigen. Dies müsste Bestandteil eines Paketes sein, bei dem sich die Ausgaben nach den Einnahmen richten und nicht umgekehrt, Platz geschaffen wird für wachstumsorientierte Zukunftsausgaben, eine Normalisierung der Gesamtsteuerbelastung und das Eindämmen der zu hohen Staatsschulden.
"Krone": Also hat Spindelegger recht, wenn er sagt, vor 2016 geht gar nichts?
Androsch: Nein, wenn man sich drübertraut, dann ist auch eine Steuerentlastung 2015 möglich.
"Krone": Über was drübertraut?
Androsch: Überzogene Frühpensionierungen, Hacklerregelung, kaum wirkungsvolle Umschulungen, 300 Millionen Biotreibstoff-Förderung, 300 Millionen Stromsubventionen, eine irrwitzige Pendlerpauschale und vieles mehr. Das kann man alles relativ rasch machen und auch konjunkturpolitisch begründen.
"Krone": Trauen Sie das der derzeitigen Regierung zu?
Androsch: Es geht nur mit einem großen nationalen Schulterschluss. Ich würde es einen "Big Bargain" für eine Agenda 2020 nennen. Eine solche soll man dann ruhig einer Volksbefragung unterziehen. Ich bin sicher, dass man das den Menschen nahebringen kann. Wollt ihr ein Gesamtpaket mit Budgetsanierung, Progressionsmilderung und Wachstnd, sich für das Richtige zu entscheiden.
"Krone": Auf Twitter haben einige geätzt: Ausgerechnet jemand, der selber mit der Finanz Probleme hatte, gibt jetzt Tipps für eine Budgetsanierung. Ärgern Sie sich über so was noch?
Androsch: Nein. Jeder weiß, dass meine Steuercausa behördlich getürkt war und damit missbraucht wurde, um einen politischen Machtkampf auszutragen.
"Krone": Aber Sie haben diesen Kampf verloren, auch vor Gericht.
Androsch: Kommt drauf an, welchen Zeithorizont man anlegt. Unmittelbar habe ich ihn verloren. Alles in allem habe ich ihn gewonnen.
"Krone": Diesen Sonntag ist Vatertag. Werden sich da alle Kinder Ihrer Patchworkfamilie um Sie versammeln?
Androsch: Nein, ich werde sowohl in Graz wie in Wien sein.
"Krone": Hätten Sie als Vater rückblickend gesehen gerne etwas anders gemacht?
Androsch: Diese Frage stelle ich mir nicht. Vergangenheit kann man nicht bewältigen, sondern nur verstehen. Aber Zukunft kann man bewältigen, wozu man sie gestalten muss.
"Krone": Also was würden Sie Ihren Kindern in Zukunft noch gerne mitgeben?
Androsch: Etwas, das weit über meine Kinder und Enkelkinder hinausgeht. Ich sehe es als Verpflichtung an, auch den nächsten Generationen das möglich zu machen, was meine Generation das Glück hatte zu erleben: Frieden und Freiheit bei steigendem Wohlstand und zunehmender Wohlfahrt. Dazu gehören solide Staatsfinanzen und eine wachstumsorientierte Politik. Beides fehlt uns heute, und es muss daher getrachtet werden, es so rasch wie möglich wieder herbeizuführen.
Seine Karriere
Geboren am 18. April 1938. Finanzminister von 1970 bis 1981, ab 1976 auch Vizekanzler unter Bruno Kreisky. Nach seinem Ausscheiden aus der Politik wird Androsch Generaldirektor der CA. 1989 gründet er die AIC Androsch International Management Consulting, 2004 die "Stiftung Hannes Androsch bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften".
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