"Zwei Welten"

Regierung knöpft sich jetzt die Beamten vor

Österreich
04.04.2015 16:28
Auf höchster Regierungsebene laufen seit einigen Tagen vertrauliche Vorbereitungen zu einer Reform des Beamtensystems. Unter dem Projektnamen "Zwei Welten - ungeschützter Bereich/geschützter Bereich" prüfen Experten aus dem Kanzleramt und mehreren Ministerien die Privilegien und Kosten im Staatsdienst. Das politische Ziel soll eine teilweise Anpassung an die Verhältnisse in der Privatwirtschaft sein.

Bereits bis zum 21. April könnten die Strukturen eines erneuerten Systems für die rund 75.000 Beamten und etwa 55.000 Vertragsbediensteten fertig sein. Für diesen Tag ist nämlich vorgesehen, dass das Budget für 2016 im Ministerrat beschlossen wird. Und für die Berechnungen des Staatshaushalts sind mögliche Veränderungen im öffentlichen Dienst wesentlich. Das betrifft vor allem personalintensive Ressorts, wie etwa Bildung oder Verteidigung.

Im Visier hat man in der Koalition vorerst einmal die Unterschiede bei den Pensionen zwischen ASVG und Bundesbeamten bzw. Landesbediensteten, die von Finanzexperten als "besonders widerstandsfähig gegen notwendige Reformen" bezeichnet werden. In der Regierungsspitze kursieren bereits Argumentationsunterlagen (siehe Faksimile oben) für die als "sehr schwierig" eingestuften Gespräche mit den Beamtengewerkschaftern. Als besonders harte Nuss gilt dabei der unlängst mit dem Großen Silbernen Ehrenzeichen der Republik dekorierte Chef des Öffentlichen Dienstes, Fritz Neugebauer.

(Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER, Kronen Zeitung)
(Bild: APA/HERBERT PFARRHOFER, Kronen Zeitung)

Regierung rechnet mit Verständnis
Ebenfalls ein Thema werden bei den Verhandlungen neben diversen aus anderen Zeiten stammenden finanziellen Zulagen Privilegien für Beamte wie der Versetzungsschutz sein. In der Regierung rechnet man damit, bei der Bevölkerung auf großes Verständnis zu stoßen - einerseits wegen der schwierigen Budgetsituation durch die wirtschaftliche Entwicklung in Europa, andererseits durch die unsichere Jobsituation in der Privatwirtschaft. Da sei der gesicherte Arbeitsplatz im Staats- beziehungsweise Landesdienst von sich aus schon ein Privileg, heißt es.

Zudem verdiene der durchschnittliche Bundesbeamte 1,7-mal so viel wie der durchschnittliche Angestellte, die Pensionshöhe ist im Schnitt ca. 2,8-mal so hoch wie die einer ASVG-Pension. So soll laut "Krone"-Informationen jedenfalls die Argumentationslinie der Regierung lauten. "Es geht hier sehr stark um Gerechtigkeit", wird erklärt.

Bremser und Reformer in den Koalitionsparteien
Eine Schwierigkeit des Reformprojekts sind mögliche Uneinigkeiten in der Regierung. Die Fronten verlaufen nicht zwischen SPÖ und ÖVP, sondern quer durch die Parteien. Kanzler Werner Faymann und Finanzminister Hans Jörg Schelling gelten als Tempomacher, Sozialminister Rudolf Hundstorfer und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner als beamtenfreundliche Bremser.

Kommentar von Claus Pándi: Neue Zeiten? 
"Regieren heißt vorausschauen." Das fast 200 Jahre alte Zitat des - anfangs rechten, später linken - Pariser Verlegers Émile de Girardin hat Beamtengewerkschafter Fritz Neugebauer der Koalition unlängst als Weisheit fürs Leben mitgegeben. Den Stammbuchspruch platzierte Neugebauer in seiner eigenen Illustrierten "GÖD - Der öffentliche Dienst", ein Mitgliedermagazin, das von einer Redaktion produziert wird, die sich "Modern Times" nennt.

Auf neue Zeiten könnten sich die Beamten vielleicht wirklich einstellen. Aus Teilen der Regierung ist deutlich wie lange nicht zu hören, man wolle den Schub nach der Steuerreform nützen, um die im Staatsdienst über Jahrzehnte zur lieben Gewohnheit gewordenen Privilegien zurechtzustutzen. Das wurde schon so oft angekündigt, dass Zweifel angebracht sind. Und auch jetzt sind in SPÖ und ÖVP nicht alle glücklich über die Ideen, die vor allem von Bundeskanzler Faymann und Finanzminister Schelling ausgehen.

Die prekäre Budgetlage zwingt die Regierung allerdings zum Handeln. Dazu kommt das Gefühl zunehmender Ungerechtigkeit zwischen jenen mit Jobs in der unsicheren Privatwirtschaft und denen, die im Staatsdienst arbeiten. Damit kein Missverständnis entsteht: Viele Beamte bringen tolle Leistungen, Polizisten etwa. Aber es gibt unbestritten auch eine gewisse Fettschicht, die als Isoliermasse ihre Privilegien verteidigt.

Und da hat eine Regierung korrigierend einzugreifen. So wie von Beamtengewerkschafter Neugebauer unlängst empfohlen.

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