Griechendrama

Rücktrittsdrohung und Klage gegen “Grexit”

Ausland
30.06.2015 10:36
Im griechischen Schuldendrama scheint die Regierung in Athen den Ernst der Lage noch immer nicht richtig begriffen zu haben. Finanzminister Yanis Varoufakis hat erklärt, gegebenenfalls juristisch gegen ein Ausscheiden seines Landes aus der Eurozone vorzugehen. Und Premier Alexis Tsipras hält weiterhin an einem Referendum über die Sparauflagen der Geldgeber fest. Bei einer Niederlage droht er sogar mit seinem Rücktritt. Nun will Brüssel Tsipras mit einem Vermittlungsversuch in letzter Minute noch umstimmen.

"Die griechische Regierung wird von all unseren Rechten Gebrauch machen", zitierte die britische Zeitung "The Daily Telegraph" am Montag Varoufakis. "Unsere Mitgliedschaft ist nicht verhandelbar", kommentierte er die Spekulationen über einen "Grexit". Die Regierung in Athen lasse sich beraten und werde "sicherlich eine gerichtliche Verfügung des Europäischen Gerichtshofs erwägen". "Die EU-Verträge machen keine Vorgaben für einen Euro-Austritt - und wir lehnen es ab, ihn hinzunehmen", machte Varoufakis deutlich.

Ministerpräsident Tsipras wiederum erhöhte vor dem für Sonntag geplanten Referendum über die Spar-und Reformauflagen der Geldgeber noch einmal den Einsatz. In einem TV-Interview am Montagabend verknüpfte er seine politische Zukunft mit dem Ergebnis der Volksabstimmung. Die linksgerichtete Regierung in Athen, die sich klar gegen die Forderungen der Gläubiger stellt, werde zwar ein "Ja" der Wähler respektieren. "Wir werden aber nicht diejenigen sein, die die Forderungen ausführen", erklärte Tsipras. "Wenn das griechische Volk einen gedemütigten Ministerpräsidenten will, gibt es da draußen einige. Aber ich werde es nicht sein."

Steht Griechenland vor Neuwahlen?
Damit könnte das Schuldendrama vor der nächsten Kehrtwende stehen. Konkret soll die Bevölkerung am Sonntag darüber entscheiden, ob sie die Forderungen der Geldgeber akzeptiert oder nicht. Tsipras wurde für sein Versprechen gewählt, den Sparkurs zu beenden, deswegen ist er bei vielen Wählern trotz der drohenden Staatspleite noch immer beliebt. So demonstrierten am Montag erneut Zehntausende Menschen für seine Regierung. Bekommt er beim Referendum nicht die Mehrheit, dürfte es Neuwahlen geben.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erklärte zum Referendum, ein "Nein" würde signalisieren, dass Griechenland den Euro verlassen wolle, was unbedingt vermieden werden müsse. "Ich werde den Griechen, die ich sehr liebe, sagen: Ihr müsst keinen Selbstmord verüben, nur weil ihr Angst vor dem Tod habt."

EZB-Direktor Benoit Coeure hingegen schließt ein Ausscheiden des Landes aus dem Euro nicht mehr aus. Dies sei möglich, wenn es auch nicht das sei, was die Europäische Zentralbank wolle, sagte er der französischen Zeitung "Les Echos". Es ist das bisher deutlichste Eingeständnis eines führenden EZB-Vertreters, dass der "Grexit" näher rückt.

Last-Minute-Angebot der EU an Tsipras
Am Dienstagabend läuft das aktuelle Hilfsprogramm für Griechenland aus. Ohne weitere Gelder kann Athen seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkommen. Am Dienstagvormittag startete Brüssel in letzter Minute einen weiteren Vermittlungsversuch. Falls Tsipras noch am Dienstag das Angebot der Geldgeber für ein Sparpaket annehme und für ein "Ja" beim Referendum werbe, könnte der Weg für ein weiteres Euro-Finanzministertreffen geebnet werden, hieß es aus EU-Kreisen. Die Zusicherung von Tsipras zum Sparpaket müsse an Juncker und Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem sowie an die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und den französischen Präsidenten Francois Hollande gehen, hieß es.

Schelling ist "frustriert und auch zornig"
Finanzminister Hans Jörg Schelling erklärte am Dienstag einmal mehr, dass die Eurogruppe für weitere Verhandlungen mit Griechenland "offen" sei. Allerdings sei die Situation "verfahren" - und er selbst "frustriert und auch zornig". Das Hilfsprogramm nicht zu verlängern, sei auch "eine Art Befreiungsschlag" für die Eurogruppe.

Dass Griechenland in eine "unmittelbare Pleite" schlittert, weil es die nun fällige IWF-Rate nicht zahlt, glaubt Schelling nicht. Dann sehe das Prozedere nämlich erst eine Zahlungsaufforderung durch den Währungsfonds vor, und das beinhalte eine 14-tägige Frist. "Der nächste Schritt ist nicht eine automatische Pleite", so der Finanzminister. Auch um die gemeinsame europäische Währung mache er sich keine Sorgen, man habe alle nötigen Vorkehrungen getroffen und erwarte keine Auswirkungen: "Der Euro ist stark."

Bonitätsnote für Griechenland erneut gesenkt
Indes hat die Rating-Agentur "Standard & Poor's" die Bonitätsnote für Griechenland erneut gesenkt und sprach von einer 50-prozentigen Wahrscheinlichkeit für ein Ausscheiden des Landes aus der Eurozone. In einer Reuters-Umfrage unter 70 Ökonomen und Händlern wurde die Wahrscheinlichkeit auf 45 Prozent taxiert, nachdem es in der Vorwoche nur 30 Prozent gewesen waren.

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