OPEC, Airport, Fuchs

Der Terror schlug auch bei uns schon gnadenlos zu

Österreich
24.03.2016 19:08

Nach den Anschlägen in Brüssel befindet sich auch unser Land in höchster Alarmbereitschaft. "Dass etwas in Österreich passieren wird, halte ich für ziemlich wahrscheinlich", so der Terror-Experte Nicolas Stockhammer. Ein Blick zurück beweist, dass diese Warnung mehr als ernst zu nehmen ist. Denn der Terror schlug in den vergangenen vier Jahrzehnten auch hierzulande mehrmals unbarmherzig zu. Das Attentat auf die OPEC, der Überfall am Flughafen Schwechat oder die Briefbombenserie von Franz Fuchs waren nur einige der Bluttaten in der rot-weiß-roten Terrorgeschichte.

Eine "Insel der Seligen" war Österreich in Bezug auf den Terror nie, wie die folgende Aufzählung eindringlich beweist. Eine offizielle Aufstellung des Innenministeriums über verübte Anschläge gibt es nicht, die Chronologie, die bis in die 1970er-Jahre zurückreicht, basiert auf Daten der "Global Terrorism Datebase" der University of Maryland in den USA.

22. Oktober 1975: Terroristen erschießen in Wien den türkischen Botschafter Danis Tunaligil. Für den Anschlag werden armenische Extremisten verantwortlich gemacht.

21. Dezember 1975: Ein Kommando unter dem berüchtigten Terroristen Ilich Ramírez Sánchez, auch Carlos genannt, überfällt die OPEC-Zentrale in Wien. Die Bilanz: drei Tote und zahlreiche Verletzte. Die Terroristen erhalten freies Geleit und dürfen mit mehreren Geiseln in die algerische Hauptstadt Algier fliehen. Der damalige Innenminister Otto Rösch (SPÖ) verabschiedet Carlos mit Handschlag, was zu einer heftigen innenpolitischen Debatte führte. Der Terrorist wird schließlich 1994 gefasst und 2011 in Frankreich zu lebenslanger Haft verurteilt.

Sanitäter transportieren einen verletzten Polizeibeamten aus dem OPEC-Gebäude in Wien ab. (Bild: dpa)
Sanitäter transportieren einen verletzten Polizeibeamten aus dem OPEC-Gebäude in Wien ab.
Die OPEC-Attentäter fliegen nach dem Anschlag mit mehreren Geiseln von Wien nach Algier. (Bild: dpa)
Die OPEC-Attentäter fliegen nach dem Anschlag mit mehreren Geiseln von Wien nach Algier.

1. Mai 1981: Der Wiener SPÖ-Stadtrat und Präsident der Österreichisch-Israelischen Gesellschaft, Heinz Nittel, wird in seinem Auto von Mitgliedern der palästinensischen Terrororganisation Abu Nidal erschossen. Das Motiv der Attentäter ist Nittels Funktion als Mitbegründer des "Jewish Welcome Service" - einer Einrichtung, die nachhaltig auf das Vertrauen Israels in österreichische Vergangenheitsbewältigung Einfluss nimmt.

29. August 1981: Zwei Mitglieder der Abu-Nidal-Gruppe greifen jüdische Gläubige vor der Synagoge in Wien-Innere Stadt mit Handgranaten und Maschinenpistolen an. Zwei Personen werden bei dem Anschlag getötet, 18 Menschen, darunter drei Kinder, verletzt. Die Polizei und der zufällig anwesende Leibwächter des Industriellen Leopold Böhm verhindern ein schlimmeres Blutbad. Die Täter, die auch für den Mord an Nittel verantwortlich sind, werden unmittelbar nach der Tat festgenommen.

Anschlag auf Wiener Synagoge: Ein verletzter Terrorist wird von Polizisten und Sanitätern umringt. (Bild: APA/Kristian Bissuti)
Anschlag auf Wiener Synagoge: Ein verletzter Terrorist wird von Polizisten und Sanitätern umringt.

27. Dezember 1985: Bei einem Anschlag der Abu-Nidal-Gruppe auf den Schalter der israelischen Fluglinie El Al am Flughafen Wien-Schwechat sterben drei Passagiere und ein Attentäter, 38 Personen werden verletzt. Bei einem parallelen Anschlag in Rom gibt es 16 Tote. Die beiden überlebenden Attentäter von Schwechat, Twafik Ben Ahmed Chaovali und Mongi Ben Abdollah Saadaoui, werden 1987 zu lebenslanger Haft verurteilt.

Die Abflughalle des Flughafens Schwechat nach dem Terrorüberfall auf eine israelische Fluglinie (Bild: APA)
Die Abflughalle des Flughafens Schwechat nach dem Terrorüberfall auf eine israelische Fluglinie
Szenen nach dem Attentat am 27. Dezember 1985 am Flughafen Schwechat mit vier Toten (Bild: APA/Robert Jäger)
Szenen nach dem Attentat am 27. Dezember 1985 am Flughafen Schwechat mit vier Toten
Der getötete Attentäter (Bild: APA)
Der getötete Attentäter

Chaovali sorgt in den Jahren danach noch mehrmals für Schlagzeilen. Im Mai 1995 flüchtet er aus der oberösterreichischen Strafanstalt Garsten, kurz darauf wird er im Keller eines Wohnhauses in Steyr gefasst.

Schwechat-Attentäter Chaovali bei seiner neuerlichen Verhaftung nach einem Gefängnisausbruch 1995 (Bild: APA/Rubra)
Schwechat-Attentäter Chaovali bei seiner neuerlichen Verhaftung nach einem Gefängnisausbruch 1995

Doch auch danach kann es Chaovali nicht lassen: Im November 1996 unternimmt er in der Haftanstalt Graz-Karlau gemeinsam mit zwei Häftlingen einen neuerlichen Fluchtversuch, bei dem er drei Frauen als Geiseln nimmt. Die Polizei stürmt noch am selben Tag die Gefängniskantine, Chaovali wird zu weiteren 19 Jahren Haft verurteilt.

13. Juli 1989: Iranische Agenten erschießen in einer Wiener Privatwohnung drei hochrangige kurdische Politiker, darunter den österreichischen Staatsbürger Fadel Rasoul. Die Täter können in der iranischen Botschaft untertauchen und dürfen nach Interventionen aus Teheran unbehelligt ausreisen - einer wird sogar unter Polizeischutz zum Flughafen Schwechat gebracht.

1993-1997: Der Fall Franz Fuchs. Die bisher folgenschwerste innenpolitisch motivierte Terrorwelle der Zweiten Republik beginnt am 3. Dezember 1993, als vom rechtsradikalen Steirer Franz Fuchs gebastelte Briefbomben in den Händen der Moderatorin Silvana Meixner und des Hartberger Flüchtlingspfarrers August Janisch detonieren. Zwei Tage später verstümmelt eine weitere Briefbombe die linke Hand des damaligen Wiener Bürgermeisters Helmut Zilk. Am 24. August 1994 reißt eine Rohrbombe in Klagenfurt dem Polizisten Theo Kelz beide Arme weg.

Die blutige Bilanz des Bombenbauers Franz Fuchs: Vier Tote und mehrere Verletzte (Bild: APA/Hans Klaus Techt)
Die blutige Bilanz des Bombenbauers Franz Fuchs: Vier Tote und mehrere Verletzte
Im Dezember 1993 verstümmelt eine Briefbombe die linke Hand des Wiener Bürgermeisters Helmut Zilk. (Bild: APA/Robert Jäger)
Im Dezember 1993 verstümmelt eine Briefbombe die linke Hand des Wiener Bürgermeisters Helmut Zilk.
Polizist Theo Kelz verliert 1994 beide Hände, 2000 glückt eine Transplantation zweier fremder Hände. (Bild: APA/Bernhard Grossruck)
Polizist Theo Kelz verliert 1994 beide Hände, 2000 glückt eine Transplantation zweier fremder Hände.

Am 4. Februar 1995 tötet eine Rohrbombe im burgenländischen Oberwart vier Roma. Josef Simon, Peter Sarközi, Karl Horvath und Erwin Horvath sind damit die ersten Todesopfer der Serie. Fuchs, der die Anschläge unter dem Pseudonym "Bajuwarische Befreiungsarmee" verübt, wird 1997 gefasst. Bei der Verhaftung in seinem Heimatort Gralla bei Graz lässt er eine Rohrbombe explodieren und verliert dabei beide Hände. Im Jahr 2000 begeht er in der Grazer Justizanstalt Karlau Selbstmord. Bilanz der Anschlagsserie: vier Tote, 15 Verletzte.

Am 4. Februar 1995 tötet eine Rohrbombe in Oberwart vier Roma. (Bild: APA/Ulrich Schnarr)
Am 4. Februar 1995 tötet eine Rohrbombe in Oberwart vier Roma.
Der Sprengstoff ist in einem Schild mit der Aufschrift "Roma zurück nach Indien!" versteckt. (Bild: APA)
Der Sprengstoff ist in einem Schild mit der Aufschrift "Roma zurück nach Indien!" versteckt.
Große Trauer nach dem Bombenattentat 1995 von Oberwart (Bild: APA/Hans Klaus Techt)
Große Trauer nach dem Bombenattentat 1995 von Oberwart

11. April 1995: Die zwei linksradikalen Attentäter Gregor Thaler und Peter Konicek kommen ums Leben, als sie einen Strommasten in der niederösterreichischen Gemeinde Ebergassing sprengen wollen. Eine zu hohe Induktionsspannung lässt den Sprengsatz zu früh detonieren.

Zwei Terroristen wollen in Niederösterreich einen Strommasten sprengen und kommen dabei ums Leben. (Bild: APA/Ulrich Schnarr)
Zwei Terroristen wollen in Niederösterreich einen Strommasten sprengen und kommen dabei ums Leben.

13. Jänner 2009: Umar Israilow, ein nach Österreich geflohener Bodyguard des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, wird in Wien-Floridsdorf auf offener Straße erschossen. Der mutmaßliche Todesschütze kann nach Russland fliehen, drei Komplizen erhalten 2012 langjährige Haftstrafen.

24. Mai 2009: Bei einem Anschlag fundamentalistischer Anhänger der Sikh-Religion auf einen Tempel in Wien-Rudolfsheim wird ein aus Indien angereister Guru getötet, neun weitere Personen werden teils schwer verletzt. Der Haupttäter erhält 2010 lebenslang, vier Mittäter 17 bzw. 18 Jahre Haft.

Politspitze: Heer stärken, Bürger in Polizeiarbeit einbinden
In Hinblick auf die nun steigende Angst vor neuen Terroranschlägen in Europa hat Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil am Mittwoch ein Strategiepapier zur Stärkung des Bundesheeres präsentiert. "Wir wissen genau, was wir benötigen, um die Sicherheit der Österreicher bestmöglich zu garantieren", sagte Doskozil im "Krone"-Gespräch" . Innenministerin Johanna Mikl-Leitner will zudem mit "Community Policing" Bürger gezielt in die Polizeiarbeit einbinden und so für mehr Sicherheit sorgen. "Das Gewaltmonopol bleibt aber natürlich beim Staat", so Mikl-Leitner.

Video: Die Blutspur des Terrors durch Europa seit 1970

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