Durch neue Stichwahl

Doch noch Gnadenfrist für die Große Koalition

Österreich
03.07.2016 19:12

Die Spekulationen um eine rasche Vorverlegung der Nationalratswahlen sind seit der höchstrichterlich verordneten Wiederholung der Nachfolge-Entscheidung für das Präsidentenamt verstummt. Zwei Urnengänge knapp hintereinander wollen die Strategen in den Zentralen der Regierungsparteien vermeiden. Damit erhält die SPÖ/ÖVP-Koalition jetzt eine Gnadenfrist - und Zeit für politisch überfällige Veränderungen.

Unter dem Titel "Flüchtlinge als Ausrede" listete bereits vor mehr als einem halben Jahr die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" die notwendigen Reformen auf. Da hieß es, dass in Österreich die "Flüchtlingskrise den Blick vernebelt, aber nur eine robuste Wirtschaft der Herausforderung Herr werden" könne. Als eine der wichtigsten Aufgaben für die Regierung wurde die Sanierung der heimischen Staatskassen als solide Unterlage für neue Projekte genannt.

Bundeskanzler Kern (Bild: zwefo)
Bundeskanzler Kern

Pensionssystem und Bildung vor großen Herausforderungen
Ebenfalls als dringlich gilt in der Analyse eine Anpassung des heimischen Pensionsystems, damit beim "Rentenalter von weniger als 60 Jahren ein finanzierbares Niveau" erreicht wird - ein von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) immer wieder aufs Tapet gebrachtes Reformprojekt, das aber schon der ehemalige Sozialminister und Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer (SPÖ) immer mit Vertröstungen auf die lange Bank geschoben hatte.

Auch die bereits seit Unterrichtsministerin Elisabeth Gehrer (Amtszeit 1995 bis 2007!) nach teilweise katastrophalen Ergebnissen bei den PISA-Studien eingeforderten Modernisierungen im Bildungsbereich kommen kaum bis überhaupt nicht vom Fleck.

Reinhold Mitterlehner (Bild: APA/HANS KLAUS TECHT)
Reinhold Mitterlehner

Völlige Übereinstimmung bei wirtschaftlichen Themen
Beim Thema "Wirtschaft ankurbeln" herrscht zwischen Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bei Einschätzung der Priorität völlige Übereinstimmung. Kern setzte bereits gleich bei Amtsantritt stark auf "Start Ups", also die Förderung innovativer Ideen und Jungunternehmertum. Diskutiert wird zwischen SPÖ und ÖVP derzeit auch intensiv über eine Absenkung der Bankenabgabe. Grundsätzlich gibt es da auch schon weitgehend Übereinstimmung. Offen ist allerdings noch, an welche Bedingungen diese steuerliche Entlastung der Finanzinstitute geknüpft werden soll.

Zu den Schwerpunkten der Regierung gehört auch die Integrationspolitik sowie durch neue und wachsende Bedrohungslagen nötig gewordene Anpassungen bei der inneren Sicherheit (betrifft Polizei und Heer). Dauerbrenner bleiben die Deregulierung, Entbürokratisierung und Effizienzsteigerung bei Sozialversicherungen.

Kommentar von Claus Pándi: Vom "Kuschelkurs" zur "Kuschelzelle" 
"Kuschelkurs" - mit dieser Zuschreibung wurde im Spätherbst 2008 der koalitionäre Umgang beschrieben. Das lag am früheren, eher auf Harmonie bedachten Bundeskanzler Werner Faymann und dem leutseligen Vizekanzler Josef Pröll. Damals war die Welt aber noch ein Alzerl mehr in Ordnung. Und lange hielt der Frieden zwischen SPÖ und ÖVP ohnehin nicht. Statt Herzlichkeiten gab es immer öfter Hinterfotzigkeiten.

Nun könnte aber wirklich alles anders sein. Nicht nur Österreich, ganz Europa ist in eine dramatische Krise geraten. Die wirtschaftliche Lage bleibt mehr als prekär, die politischen Systeme wanken, das Vertrauen in das Vertraute geht verloren. In dieser Lage sollte keiner, der nur einen Hauch von Verantwortung spürt, mit dem Feuer spielen.

Da hat die höchstrichterlich verordnete Wiederholung der Bundespräsidenten-Stichwahl auch ihr Gutes. Die politische Vernunft verbietet jetzt allen, die in SPÖ und ÖVP eventuell mit diesem Gedanken gespielt haben sollten, sehr rasch vorgezogene Nationalratswahlen. Wer immer auf diese Idee käme, hätte die Höchststrafe durch das zornige Wahlvolk zu erwarten.

Bundeskanzler Christian Kern und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sitzen daher zumindest bis in das Frühjahr 2017 in der "Kuschelzelle". Dort haben die Spitzen der Regierung nun Gelegenheit, die notwendigen Veränderungen für dieses Land auszustreiten, auszuarbeiten und zu verwirklichen. Das ist eine Gnadenfrist - für die Koalition und für uns.

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