Offiziell will Bundeskanzler Christian Kern mit der Wahl des ORF-Generaldirektors am Dienstag nichts zu tun haben. Diese Version steht allerdings im Widerspruch zu den Erwartungen in der SPÖ: Dort will man nach der Schlappe mit Hofburg-Kandidat Rudolf Hundstorfer und der verlorenen Schlacht um den Rechnungshof zumindest die Macht im Staatsfunk behalten.
"Ja, Alexander Wrabetz, ganz klar." Mit dieser knappen Erklärung hatte sich Kern jedoch bereits Mitte Juni auf seinen Favoriten für den Posten des ORF-Generaldirektors festgelegt. Das war keine Überraschung. Alexander Wrabetz genießt das Vertrauen in den höchsten SPÖ-Rängen vom Wiener Rathaus bis zum stellvertretenden SPÖ-Klubchef und Mediensprecher Josef Cap, dessen Vorzugsstimmenwahlkampf er schon vor 33 Jahren organisiert hatte.
Wrabetz' Aufstieg ist eng mit der SPÖ verbunden. Der heute 56-jährige ORF-Chef ist schon seit Jugendtagen in der Partei und war unter anderem Bundesvorsitzender im Verband Sozialistischer StudentInnen VSStÖ.
Zu einer Distanz mit Teilen der SPÖ kam es erst unter dem ehemaligen Bundeskanzler Werner Faymann, der hinter den Kulissen auf eine Ablöse des ORF-Chefs drängte. Faymann fand allerdings keinen geeigneten Ersatz. Zudem gelang es Wrabetz, mit einem eng geknüpften politischen Netzwerk über die Grenzen der SPÖ hinaus auch zu den Grünen und zur FPÖ einen guten Kontakt zu halten. Zuletzt hatte sich allerdings auch das Verhältnis zwischen Faymann und Wrabetz wieder entspannt.
In der Parteizentrale in der Wiener Löwelstraße hatte man die Suche nach einer Alternative aufgegeben, stattdessen an der Wiederwahl des amtierenden ORF-Chefs gearbeitet. Auf heftige Kritik stieß in diesem Zusammenhang ein Solo-Auftritt von Ex-Kanzler Faymann in der Talkshow "Im Zentrum". ÖVP-Vizekanzler Reinhold Mitterlehner bezeichnete den ORF in einem spektakulären Wutauftritt im Fernsehen danach als "Bestellfunk" - und ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka sagte: "Der ORF gehört gestoppt. Wrabetz hat seine Karriere als Wahlkampfhelfer von Josef Cap begonnen, wenn er jetzt glaubt, sie als Wahlkampfhelfer von Faymann beenden zu müssen, dann schadet er dem Unternehmen."
Mittlerweile ist die Kanzlerschaft Faymanns an Kern gegangen, die Verbindung zu Wrabetz ist der SPÖ geblieben. SPÖ-Medienminister Thomas Drozda lobte in Interviews den "Erfahrungshintergrund von zehn Jahren und das klare Konzept des Amtsinhabers". Tatsächlich erwarten sich die Drahtzieher in der SPÖ, dass Wrabetz eine Vertragsverlängerung für eine dritte Amtszeit von erneut fünf Jahren erhält. In Hinblick auf die bevorstehenden Nationalratswahlen - voraussichtlich im kommenden Jahr - setzt man große Hoffnungen auf die gewohnte Kontinuität im ORF.
Von Wrabetz' Gegenkandidat Richard Grasl ist bekannt, dass er die Unterstützung von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll hat. Grasl muss sich aber mit seinem Konzept für den ORF bei der Wahl am Dienstag durchsetzen.
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