"Simmering gegen Kapfenberg", also bekanntlich Brutalität - so bezeichnete Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) die Stimmung in der Koalition. Bundeskanzler Christian Kern spricht im "Krone"-Interview über Fouls in der Regierung, über Neuwahlspekulationen, aber auch über das Scheitern des vergangenen EU-Gipfels sowie sein Nein zum TTIP-Abkommen mit den USA.
"Krone": Herr Bundeskanzler, der EU-Gipfel ging ohne Ergebnis zu Ende, rund um CETA herrscht mit der wallonischen Blockade völliges Chaos. Ist die EU noch handlungsfähig?
Christian Kern: Das ist tatsächlich ein Tiefpunkt. Es ist ja so, dass jemand, der nicht einmal am Tisch sitzt, den Entscheidungsprozess blockiert. Das zeigt den dringenden Reformbedarf in der EU, so kann das nicht weitergehen.
Glauben Sie noch an einen Abschluss des Abkommens am 27. Oktober?
Ich denke, dass das möglich ist. Die Motive der Wallonen haben ja nicht zwingend mit CETA zu tun.
Sie haben mehrfach betont, dass Sie kein Fan von CETA sind. Trotzdem hat Österreich zugestimmt. Wie wollen Sie verhindern, dass das auch bei TTIP passiert?
Zuerst einmal muss man sagen, dass wir bei CETA viele Verbesserungen erreicht haben. TTIP unterscheidet sich gravierend von CETA, und wir müssen zeitgerecht darüber reden, was drinnenstehen darf und was nicht. Es bleibt noch genug Zeit, um die Probleme zu lösen. Geschieht dies nicht, muss man die Verantwortung dafür übernehmen, dass der Prozess scheitert.
Wechseln wir in die Innenpolitik. Die Regierung streitet um die Mindestsicherung. Jetzt will die SPÖ direkt mit Ober- und Niederösterreich verhandeln - ohne die Bundes-ÖVP. Hat das Aussicht auf Erfolg?
Wichtig ist, dass wir die Mindestsicherung behalten, weil sie Menschen, die aus dem Arbeitsprozess gefallen sind, vor Armut bewahrt. Vor diesem Hintergrund dürfen wir politische Konflikte nicht auf dem Rücken der Bedürftigen austragen. Ich bin sehr unglücklich darüber, dass der Streit so eskaliert ist. Die SPÖ hat sich weit bewegt. Ich kann nur appellieren, keine politischen Spiele in den Vordergrund zu stellen.
Stichwort Koalition: Es wird keine Gelegenheit für ein Foul am Regierungspartner ausgelassen. Ist das der Schlüssel zum Erfolg?
Das geht so gar nicht. In der Sache sind wir oft nicht weit voneinander entfernt, aber die Emotionen gehen schnell hoch. Es war sehr klug vom Vizekanzler, dass er in seiner Rede gesagt hat, was er will, uns aber fair behandelt hat. Ich werte das als gutes Zeichen.
Reinhold Mitterlehner hat die Stimmung der Koalition aber auch als "Simmering gegen Kapfenberg" bezeichnet.
Als Qualtinger-Fan und aus Simmering Stammender weiß ich nur zu gut, was das bedeutet. Wir sollten daraus lernen und uns auf die Sache konzentrieren und nicht den anderen persönlich beleidigen.
Wie lange hält diese Koalition noch?
Die SPÖ-Umfragewerte werden besser, viele meinen, dass nun ein guter Zeitpunkt für Neuwahlen wäre. Aber das ist keine taktische Frage. Wir müssen den Stillstand beenden, wir wissen nicht, wie es nach der Hofburg-Wahl weitergeht, die EU befindet sich in einer Krise - es liegen Themen ohne Ende auf dem Tisch. Denen sollten wir uns zuwenden.
Würden Sie eine rot-blaue Koalition auf Bundesebene eingehen?
Die FPÖ ist für uns kein guter Partner, weil uns zu viel trennt. Ich will ein Österreich des Miteinanders und nicht Konflikte schüren. Ich bin kein Anhänger von Rot-Blau auf Bundesebene, aber das schließt nicht aus, dass wir in Sachfragen kooperieren können.
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