Auch am Samstag haben SPÖ und ÖVP wieder über das neue Regierungsprogramm verhandelt. Und schon so wie in den Tagen zuvor war die Stimmung in den Lagern der Koalitionsparteien schwankend. Einmal sachlich, einmal frustriert, dann wieder aufgebracht und zeitweise auch am Rande des Nervenzusammenbruchs. Man schramme entlang der Ziellinie, sagen die einen. Die anderen, man stehe kurz vor dem Abbruch und dem "Aus" für die Koalition. Was wirklich ist, kann keiner sagen. Aber wie jede Krise, bringt auch diese Gewinner und Verlierer hervor.
Für Bundeskanzler Christian Kern sind die Koalitionsgespräche bisher ein Nullsummenspiel gewesen. Einerseits hat er sich mit seinem "Plan für Österreich" durchaus profilieren können. Andererseits werden viele der sich jetzt abzeichnenden Einigungspunkte von der Flexibilisierung der Arbeitszeit bis zum Sicherheitspaket eher klassischem ÖVP-Repertoire zugerechnet.
Der Regierungschef kann sich aber zurechnen lassen, dass es ihm gelungen ist, die größtmögliche Querschnittmenge der Parteien in einem gemeinsamen Arbeitsprogramm zu vereinen. Hauptherausforderung ist für ihn jedoch, wie er diesen pragmatischen Managererfolg am Ende auch der Wählerschaft verkaufen kann.
Was nun? Kern steht vor erster großen politischen Frage
Kern steht somit vor seiner ersten großen politischen Frage: Das Kompromisspapier mit der ÖVP einfach schlucken und versuchen, das mit allen Marketingmitteln als großen Erfolg zu verkaufen, oder den Koalitionszirkus als Beleg für die Unmöglichkeit vernünftiger Regierungsarbeit nehmen und Neuwahlen ausrufen?
Ein klarer Gewinner ist Finanzminister Hans Jörg Schelling, der es schafft, bei sämtlichen Veränderungen zu keinem Zeitpunkt die Kontrolle über das Budget verloren zu haben.
Mitterlehner profiliert sich als Brückenbauer
Gewonnen hat bisher auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Mit inhaltlichen Konzepten eher zurückhaltend, profiliert sich der ÖVP-Chef vor allem als Brückenbauer zwischen der SPÖ und seiner in mehrere Gruppen aufgespalteten ÖVP. Jeder Tag länger in der Regierung ist für Mitterlehner ein gewonnener Tag. Er muss allerdings für den Fall, dass es zu keinen vorgezogenen Neuwahlen kommen sollte, auch in den nächsten Monaten für Disziplin in den eigenen Reihen sorgen. Eine fast unmögliche Mission in der ÖVP.
An Kurz führt kein Weg vorbei
Völlig unbeschädigt geht aus dem Tumult Außenminister Sebastian Kurz hervor, der sich im Hintergrund konstruktiv verhält. Sogar mit der regierungspolitisch völlig unerfahrenen SPÖ-Staatssekretärin Muna Duzdar verhandelt der jugendliche Hardliner nachsichtig und kompromissbereit über Burka-Verbote und andere Integrationsthemen. Ob wir bald wählen oder erst später: An dem ÖVP-Star führt kein Weg vorbei.
FPÖ kann sich Auftrieb vom Koalitionszirkus versprechen
Krisengewinner von Regierungskrisen ist immer die Opposition. Aktuell können sich vom Koalitionszirkus um das neue Arbeitsprogramm von SPÖ und ÖVP aber vor allem die Freiheitlichen Auftrieb versprechen. Obwohl FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zu komplexen Budgetfragen kaum konstruktive Ideen einbringt. Nichts nützt die aktuelle Krise hingegen den Grünen. Von Eva Glawischnig wird politisch kaum noch Notiz genommen.
Schattendasein der Sozialpartner zu Ende
Das Schattendasein der Sozialpartner, die seit langem wenig zu bestimmen hatten, ist plötzlich zu Ende. Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl und Gewerkschaftspräsident Erich Foglar sind durch die Koalitionskrise zu neuer Bedeutung gekommen. Sie sollen oder dürfen jetzt statt der Regierung zumindest bis zum Sommer das umstrittene Kapitel eines festgelegten Mindestlohns (1500 Euro brutto monatlich) verhandeln.
Claus Pándi, Kronen Zeitung
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